Verleihung des Mutterkreuzes 1942 in Berlin

Stichtag

21. Mai 1939 - Die ersten Mutterkreuze werden verliehen

Das "Schlachtfeld der Frau" ist für Adolf Hitler die Mutterschaft. Für ihn sind Männer Soldaten und Frauen Mütter: "Der Mann tritt für die Gesamtheit der Volksgenossen ein, genauso wie die Frau eintritt für die Kinder, denen sie selbst das Leben schenkt." Am 16. Dezember 1938 stiftet Hitler einen Orden für Gebärfreudigkeit. Der "Völkische Beobachter" kündigt Weihnachten desselben Jahres an: "Drei Millionen deutscher Mütter werden nunmehr am Tage der deutschen Mutter 1939 erstmalig in feierlicher Weise die neuen Ehrenzeichen durch die Hoheitsträger der Partei verliehen bekommen. Jahr für Jahr werden diese Feiern sich dann am Muttertag, am Ordenstag kinderreicher Mütter, wiederholen."

Am 21. Mai 1939 ist es soweit: Mütter mit mindestens vier Kindern erhalten das "Ehrenkreuz der Deutschen Mutter" in Bronze. Ab sechs Kindern gibt es die Auszeichnung in Silber und ab acht Kindern in Gold. Der kreuzförmige Orden mit blau-weißem Band hat ein Hakenkreuz in der Mitte. Er ähnelt dem Eisernen Kreuz, mit dem Soldaten geehrt werden. "Mit diesen Ehrenkreuzen wird der Dank an alle Frauen abgestattet, die an ihrem Platze ihrem Volke dienen", sagt Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß.

Nur "deutschblütige" Mütter ausgezeichnet

Hinter vorgehaltener Hand wird die neue Auszeichnung als "Karnickelorden" oder "Nahkampf-Spange" bezeichnet. Doch nur von wenigen. Der Andrang auf die Mutterkreuze ist bei der ersten Verleihung so groß, dass nur die alten Mütter ausgezeichnet werden. Die anderen folgen nach und nach. Bis zum deutschen Angriff auf Russland sind es insgesamt etwa 4,7 Millionen Mütter. Die Parteifunktionäre müssen zu den Feiern in Uniform antreten. Der Reichsbund Deutscher Kleingärtner hat kostenlos Blumengestecke zu liefern. In der Straßenbahn müssen für die Mutterkreuz-Trägerinnen Sitzplätze frei gemacht werden. Hitlerjungen salutieren auf der Straße, wenn ihnen eine Mutter mit Orden begegnet. Wer viele Kinder hat, erhält bei der Reichsbahn Preiserlass. Steuerrechtlich werden kinderreiche Familien von den Nazis bevorzugt.

Doch Mutterkreuze, sagt Historiker Walter Wippermann, sind für die Nazis nicht nur ein Mittel der Sozial-, sondern auch ein Mittel der Rassenpolitik: Mutterkreuze erhalten nur sogenannte deutschblütige Frauen. Polnischstämmige Frauen gehen leer aus, genau so wie jene, die zum Beispiel ungarische oder dänische Wurzeln haben.

Züchten und vernichten

Wer trotz vieler Kinder kein Mutterkreuz bekommt, macht sich verdächtig: Gilt die Frau als "asozial", hat sie "Rassenschande" getrieben oder ist sie "erbkrank"? Zu jedem Antrag erstellen die Gesundheitsämter ein Gutachten. Wer als nicht "erbgesund" bezeichnet wird, soll sterilisiert oder umgebracht werden. Züchten und vernichten sind in Nazi-Deutschland zwei Seiten derselben Medaille: Parallel zu den Verleihungszeremonien für Mutterkreuze ermorden die Nazis zehntausende Männer, Frauen und Kinder mit Behinderungen. Zwangsarbeiterinnen, die schwanger werden, müssen in der Regel abtreiben.

Gegen Kriegsende werden keine zivilen Auszeichnungen mehr vergeben. Nur Soldaten bekommen weiterhin Eiserne Kreuze und Mütter ihr Mutterkreuz. Auch Kinder, die im Bombenhagel getötet werden, zählen mit - und zum Schluss auch tote Mütter. Angehörige können sich als Andenken das Mutterkreuz für die bereits verstorbene Mutter abholen.

Stand: 21.05.2009