Stichtag

16. April 2008 - Vor 65 Jahren: Albert Hofmann entdeckt das LSD

Auch mit 102 Jahren hat Albert Hofmann nur eine Erklärung für das, was damals geschah: "Das LSD ist zu mir gekommen, ich habe es nicht gesucht." Damals, das ist der Nachmittag des 16. April 1943. Hofmann, 37 Jahre alt und Chemiker des Schweizer Pharmakonzerns Sandoz, experimentiert im Labor mit dem Mutterkorn, einem auf Getreide gedeihenden Pilz. Dessen geheimnisvolle Kräfte werden seit tausend Jahren zur Herstellung von Arzneien und Ritualdrogen genutzt. Hofmann ist einem Kreislaufmittel auf der Spur. Mitten in der Arbeit wird er von wachsender innerer Unruhe und Schwindelgefühl erfasst. "Obwohl ich an peinlich sauberes Arbeiten gewohnt war, muss eine Spur der Substanz zufällig in meinen Körper gelangt sein."

Plötzlich weiß Hofmann nicht, wie ihm geschieht: Auf wundersame Weise steigern sich seine Sinneswahrnehmungen. Er schwingt sich aufs Rad, fährt nach Hause, legt sich ins Bett und hat "ein wunderbares Erlebnis". In den folgenden Tagen analysiert Hofmann den Stoff, den er zuletzt aus dem Mutterkorn gewonnen hat: Lysergsäurediäthylamid, kurz LSD. Der gewiefte Pharma-Forscher ahnt, dass die offenbar psychoaktive Substanz interessante Möglichkeiten für die Psychiatrie bieten könnte. Am 19. April wagt Hofmann einen gezielten Selbstversuch mit der für ihn denkbar kleinsten Dosis und notiert: "16.20 Einnahme der Substanz. 17.00 Beginnender Schwindel, Angstgefühl, Sehstörungen, Lähmungen, Lachreiz; mit Velo nach Hause. Von 18.00 - ca. 20.00 Uhr schwerste Krise." Trotz des Horrortrips ist Hofmann begeistert von den psychedelischen Reiseerlebnissen in die unbekannten Regionen seines Bewussteins. Der Pharma-Riese Sandoz wittert ein Riesengeschäft. Wie er die Droge entdeckt hat, erzählt Hofmann 60 Jahre später unter dem Titel "Erinnerungen eines Psychonauten".

Unter dem Namen Delysid macht LSD eine steile Karriere in der Behandlung schwerster Psychosen. Es fällt der CIA in die Hände, die es als Wahrheitsserum in geheimen Test an US-Soldaten erprobt. Mitte der 50er Jahre bricht LSD  aus der Welt der Labore aus. Reporter und Künstler tragen ihre Triperfahrungen in die Öffentlichkeit. Als der Harvard-Psychologe Timothy Leary lautstark den freien Zugang zu LSD für jedermann propagiert, fällt die Botschaft bei der zunehmend rebellischen Jugend auf fruchtbaren Boden. Die Hippie-Bewegung befördert den Stoff zur Dauerfahrkarte für den Trip hinter die Pforten der Wahrnehmung. " Turn on, turn in, drop out" lautet die von Leary geprägte Devise. 1966 ist die wilde Zeit des LSD vorbei. Die US-Regierung stellt Herstellung, Besitz und Anwendung unter Strafe. "Lucy in the Sky with Diamonds", wie die Beatles die Wunderlösung angeblich besingen, wird weltweit als Rauschgift geächtet. Bis heute setzt sich der inzwischen hoch betagte, aber immer noch rüstige Albert Hofmann dafür ein, die erstaunlichen Eigenschaften seiner Entdeckung wieder für die pharmakologischen Forschung nutzbar zu machen.

Stand: 16.04.08