Stichtag

07. November 2008 - Vor 25 Jahren: Deutschlands erste Bleifrei-Tankstelle eröffnet

Ende der 70er Jahre lernen die Deutschen ein neues Schlagwort kennen: das Waldsterben. Verursacht wird das bereits erschreckend weit verbreitete Siechtum der Bäume vor allem durch Autoabgase. Abhilfe soll ein Katalysator schaffen, der die Schadstoffemissionen von Verbrennungsmotoren um bis zu 90 Prozent reduziert. Doch die Sache hat einen Haken: Der Kat verlangt nach einem neuen Kraftstoff. Seit den 30er Jahren wird dem Auto-Benzin Blei, genauer gesagt Bleitetraäthylen, beigemischt. Ohne das Additiv neigen Ottomotoren zu schädlichen, unkontrollierten Fehlzündungen, die der Fahrer als "Klopfen" wahrnimmt. Das Antiklopfmittel Bleitetraäthylen setzt sich jedoch im Katalysator ab und macht ihn unwirksam.

Weil aber an der Abgasverminderung und damit am Kat kein Weg vorbeiführt, müssen sich deutsche Autofahrer ab Ende 1983 mit einem neuen Kraftstoff vertraut machen. Am 7. November bietet eine Münchener Tankstelle zum ersten Mal in der Bundesrepublik bleifreies Benzin an. Beobachtet von einem großen Presseaufgebot zapft kein geringerer Tankwart als Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann persönlich die ersten Liter Bleifrei ab. Doch kaum sind Medien und Minister abgezogen, ebbt der Andrang an der grün lackierten Tanksäule in der Von-Kahr-Straße schlagartig wieder ab. Kein Wunder, denn kaum ein Autofahrer ist hinreichend informiert, ob der Motor seines Wagens den neuen Kraftstoff überhaupt verträgt. Die Lobby der Autohersteller jedenfalls setzt alles daran, den Eintritt ins Bleifrei-Zeitalter hinauszuzögern und behauptet, die meisten PkW seien auf verbleites Benzin angewiesen. Eindeutige Empfehlungen für die Kunden gibt es kaum - und wenn doch, dann natürlich "unter Ausschluss jeder Gewährleistung".

Auch der Preis für bleifreies Benzin schreckt noch viele Autofahrer ab. Ein Liter des neuen waldfreundlichen Sprits kostet mit 1,39 Mark immerhin neun Pfennig mehr als die verbleite Konkurrenz. Ganze 15 öffentliche Tankstellen mit Bleifrei-Angebot in der ganzen Bundesrepublik gibt es drei Monate nach der Münchener Premiere. An der Station in der Von-Kahr-Straße steuert pro Tag selten mehr als ein Dutzend Fahrer die grüne Zapfsäule an. So richtig in Fahrt kommt der Bleifrei-Konsum erst, als auch die europäischen Nachbarländer mitziehen. 1988 schließlich verschwindet verbleites Normalbenzin aus dem Angebot deutscher Tankstellen. Im Jahr darauf muss jeder Neuwagen mit einem Katalysator ausgerüstet sein. Mit Beginn des Jahres 2000 dann darf in der gesamten Europäischen Union überhaupt kein verbleiter Kraftstoff für Ottomotoren mehr angeboten werden.

Stand: 07.11.08