Stichtag

01. April 2008 - Vor 260 Jahren: Beginn der Ausgrabungen in Pompeji

In seiner "Liebeskunst" schwärmt Ovid davon, dass sich am Mons Vesuvius besonders leicht schöne Frauen erobern ließen. Cicero nennt den von Villen reicher Römer gesäumten Berg am Golf von Neapel einen "wohlbekannten Wonnekessel". Und für Martial ist der Vulkan vor allem "grün vom Schatten der Reben". Der Vesuv gilt als lieblich und friedlich, als im Jahr 79 eine pinienförmige Wolke über dem Berg den Himmel verdunkelt. Begleitet von unterirdischen Detonationen wird der Pfropf des Förderschlotes weggesprengt. Ein explosives Gemisch aus Gas, Asche und anderen Materialien steigt 30 Kilometer hoch in die Luft. Den Bewohnern von Pompeji und Herculaneum ist das Ausmaß der sich anbahnenden Katastrophe offenbar nicht bewusst: In der Tasche eines der Flüchtenden finden Archäologen den Hausschlüssel für eine spätere Rückkehr.

Der Ausbruch des Vesuv begräbt das Alltagsleben unter einer bis zu 25 Meter dicken Schicht: ein gefundenes Fressen für Archäologen. Zunächst aber wird Pompeji vergessen, Gras wächst über die Unglücksstelle. Am 1. April 1748 aber graben sich zwei Dutzend schlecht bezahlte Arbeiter zu den verschütteten Opfern durch. Was sich den Archäologen offenbart, ist ein zu Stein gewordener Schnappschuss des Untergangs. Den Grabungsleiter Rocco Giachino Alcubierre indes interessiert das wenig. Er hat den Auftrag, möglichst viel Gold und Silber für den König zu bergen. Alcubierre lässt alle Fundstücke auf einen Karren laden und im Schlosshof von Neapel in einer Ecke aufeinander werfen. Ein Gutteil wird für zwei Brustbilder des Königspaares eingeschmolzen. "Dieser Mann", wird der berühmte Altertumsforscher Johann Joachim Winckelmann später schimpfen, "war durch seine Unerfahrenheit Schuld an vielem Schaden und an dem Verluste vieler schöner Sachen."

Wegen dieser Majestätsbeleidigung erhält Winckelmann in Neapel Hofverbot. Seine Berichte über Pompeji und Herculaneum jedoch lösen in den europäischen Gelehrtenkreisen Begeisterungsstürme aus. "Wohnt unter der Lava verborgen / Noch ein neues Geschlecht?" dichtet Friedrich Schiller. Heute kann jeder der Antwort auf diese Frage vor Ort nachspüren. Auch wenn nur wenige Straßenzüge öffentlich zugänglich und noch längst nicht alle Häuser ausgegraben sind, schieben sich jedes Jahr zwei Millionen Besucher an der Ausgrabungsstätte vorbei.

Stand: 01.04.08