Stichtag

25. März 2008 - Vor 25 Jahren: "Das Gespenst" hat Premiere

Jesus Christus kann nicht zärtlich sein. Im Film "Das Gespenst" ist er in einem bayerischen Kloster vom geschnitzten Kreuz gestiegen, um einer jungen Oberin ein Mann aus Fleisch und Blut zu sein. Die Nonne kann sich vorstellen, das Jesus die Brüste von Frauen küsst und sie im Gegenzug seinen Kopf berühren. "Du scherzt", sagt Jesus, "Du vergisst meine Dornenkrone. Ich könnte sie nicht abnehmen. Ich habe mich zu sehr an sie gewöhnt." "Ach ja, deine Dornenkrone", antwortet die Nonne. "Die brauchst du. Ohne die bist du niemand."

Am 25. März 1983 hat "Das Gespenst" in einem kleinen Kino am Alpenrand Premiere. Autor, Hauptdarsteller, Produzent und Regisseur ist Herbert Achternbusch. Die Studentin Elisabeth Tworek, heute Leiterin des Münchner Literaturarchives, ist unter den Besuchern. "Große Begeisterung" habe damals im Publikum geherrscht, wird sie später sagen. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die Leute beleidigt herausgegangen sind." Ganz anders ist die Einschätzung der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK). Ihrer Ansicht nach erzeugen die "Attacken auf die Gegenwart der Kirche ein nur noch pessimistisches und nihilistisches Grundmuster der Welt, das keine rationale Verarbeitungsmöglichkeit für den Besucher zulässt". So steht es in der Begründung der FSK, den Film nicht freizugeben. "Das Gespenst", so heißt es weiter, "kann dem religiösen Empfinden eines nach Millionen zählenden katholischen Teils der Bevölkerung in öffentlicher Vorführung nicht zugemutet werden".

Der Skandal ist da. Ein Sturm der Entrüstung bricht los. Auch als sich die FSK  gezwungen sieht, ihre Entscheidung zu revidieren, protestieren Hunderte von Katholiken vor den Programmkinos. Einige gehen hinein und verrichten im Saal ihre Notdurft. Andere versammeln sich auf Münchens Marienplatz zum Buß- und Sühnegebet. Achternbuschs einsamer, melancholischer, aber auch hilfloser Christus wird zum Politikum. Als der neue Innenminister Friedrich Zimmermann (CSU) dem Film die Auszahlung jener Förderung, die ihm unter der SPD-Regierung Helmut Schmidts schon zugesagt worden war, im Nachhinein verweigert, wird "Das Gespenst" zum Zankapfel über die Freiheit der Kunst. Kein Tag vergeht, in dem Achternbusch nicht in der Zeitung steht. Heute lebt Herbert Achternbusch in München. Über ein Dutzend Filme hat er seit 1983 noch gedreht, darunter "Heilt Hitler" (1986) und "Das Klatschen der einen Hand" (2002). So erfolgreich - und umstritten - wie "Das Gespenst" ist keiner mehr geworden.

Stand: 25.03.08