Stichtag

25. Oktober 2008 - Vor 25 Jahren: Udo Lindenberg tritt im Palast der Republik auf

"Ich freue mich, dass ich wie in der Bundesrepublik so jetzt auch hier in der DDR die Möglichkeit habe, gegen die Kamikaze-Rüstung zu singen." Rocksänger Udo Lindenberg hat sich einiges vorgenommen, als er im Oktober 1983 den Berliner Grenzübergang Invalidenstraße passiert. "Ich werd' hier meinen Standpunkt bekräftigen." Jahrelang hat sich Lindenberg mit seinem "Panikorchester" vergeblich um ein Konzert in Ostdeutschland bemüht. Noch im Februar 1983 hat er sich mit einem provokanten Song  öffentlich an den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker gewandt: "Och Erich, ey, bist du denn wirklich so ein sturer Schrat? Warum lässt du mich nicht singen im Arbeiter- und Bauern-Staat?" Ohne Erfolg. Doch nun darf Lindenberg als erster bundesdeutscher Musiker in Ost-Berlin auftreten. Der politische Hintergrund: Der Bundestag will im November 1983 den Nato-Doppelbeschluss absegnen. Die SED nutzt die Angst vor einem Atomkrieg in der DDR propagandistisch und formiert eine eigene antiamerikanische Friedensbewegung. Egon Krenz, damals Chef der FDJ, lädt Udo Lindenberg zum Festival "Rock für den Frieden" ein und sichert ihm für 1984 eine Tournee durch die DDR zu.

Beim Konzert am 25. Oktober 1983 läuft allerdings nicht alles so diszipliniert und brav ab, wie von der DDR-Führung geplant und zeitversetzt im Ost-Fernsehen gezeigt. Im Palast der Republik haben sich zwar rund 4.500 ausgesuchte, linientreue FDJ-Mitglieder versammelt, doch draußen muss die Polizei tausende Fans in Schach halten. Auch Lindenberg äußert sich auf der Bühne nicht so antiamerikanisch und prosowjetisch wie gewünscht: "In der Bundesrepublik und in der DDR - nirgendwo wollen wir auch nur eine Rakete sehen. Keine Pershings und keine SS-20!" Dass sich Lindenberg nach seinem rund 20 Minuten langen Kurzauftritt auch noch - abweichend vom Protokoll - auf den Schultern der Fans um den Palast der Republik tragen lässt, hat Folgen. Die schriftlich zugesicherte Tour  wird abgesagt. Lindenberg erhält für die Zukunft Einreiseverbot.

Doch Lindenberg gibt nicht auf. Er schickt Honecker eine abgetragene Lederjacke - ein "versifftes Teil aus dem Ruhrpott-Gully", wie Lindenberg verrät. Honecker revanchiert sich betont locker mit einer Schalmei. Das Techtelmechtel zwischen Panik-Rocker und Staatsratsvorsitzendem verschleiert, so Kritiker, dass allein der Besitz von verbotenen Lindenberg-Platten in der DDR zur Festnahme führen kann. Noch Jahre später wehrt sich Lindenberg gegen den Vorwurf, er habe sich auf Kosten anderer profiliert: "Und wenn irgendwelche Blödköppe da was bringen von Anbiedermann, dann ruf' ich kess zurück: Leckt euch selber." Er wolle nicht für Honecker, sondern für seine Fans singen. Aber die DDR-Spitze bleibt weiterhin hart. Auch als es Lindenberg gelingt, Honecker im September 1987 bei dessen Staatsbesuch in der Bundesrepublik eine Gitarre mit der Aufschrift "Gitarren statt Knarren" zu übergeben. Lindenberg spielt erst nach dem Mauerfall wieder in Ostdeutschland.

Stand: 25.10.08