Stichtag

14. Oktober 2008 - Vor 250 Jahren: Wilhelmine von Bayreuth stirbt

Sie gehört zu den ungewöhnlichsten Frauen des 18. Jahrhunderts: Wilhelmine von Preußen, Tochter des Soldatenkönigs, Lieblingsschwester Friedrichs des Großen und Markgräfin von Bayreuth. In ihren Memoiren beschreibt sie den Berliner Hof ihres Vaters, Friedrich Wilhelm I., als Tollhaus. An eine Szene erinnert sie sich noch als Erwachsene mit Grausen. Ihr Vater versetzt ihr so heftige Faustschläge ins Gesicht, dass sie gegen eine Holzvertäfelung fliegt: "Niederträchtige Kanaille! Du wagst es, vor mir zu erscheinen! Geh und leiste deinem Schuft von Bruder Gesellschaft!" Die kleinen Prinzen und Prinzessinnen weinen, während die Königin durch den Raum rennt und schrille Schreie ausstößt. Wilhelmine schreibt: "Der Schreck fuhr mir so in die Glieder, dass ich ihn ein ganzes Leben in mir trug."

Wie weit die Schilderungen den Tatsachen entsprechen, lässt sich kaum klären: Für die Rokoko-Prinzessin, die am 3. Juli 1709 in Berlin geboren wird, ist die Welt eine Bühne. Das Leben bei Hofe ist zu dieser Zeit ein Theaterspiel, sagt Günter Berger, Romanistik-Professor an der Universität Bayreuth und Übersetzer der auf Französisch verfassten Memoiren Wilhelmines. "Manche Dinge, die sie schreibt, klingen ziemlich übertrieben." Die Grundaussage sei jedoch richtig. Als älteste Tochter Friedrich Wilhelms I. und seiner Frau Sophie Dorothea von Hannover wächst Wilhelmine an einem äußerst spartanischen Hof auf. Die Mutter will sie um jeden Preis mit ihrem Neffen verheiraten, damit sie einmal Königin von England wird. Der König verfolgt andere Interessen. So gerät Wilhelmine schon als Kind zwischen die Fronten. Ihr einziger Trost ist der drei Jahre jüngere Bruder. Friedrich leidet noch mehr unter der Tyrannei des Vaters. Als Friedrich 1730 vergeblich zu fliehen versucht, stellt der König Wilhelmine vor die Wahl: Entweder heiratet sie den Erbprinzen von Bayreuth oder ihr geliebter Bruder bleibt im Kerker. Diesmal hat sie Glück, Friedrich von Bayreuth ist eine gutmütige Frohnatur: "Ich liebte ihn leidenschaftlich."

Allerdings ist Bayreuth eine Enttäuschung: Wilhelmine beschreibt ihr neues Zuhause als schmuddeligen Provinzhof mit Spinnweben an der Decke und schlechtem Essen. Den ländlichen Adel empfindet die Preußin als Zumutung: "Alle hatten Kinderschreck-Visagen. Ihre Gesichter waren halb verdeckt von einer Art mottenzerfressener Perücken." Erst nach dem Tod des Schwiegervaters 1735 kann Wilhelmine sich selbst verwirklichen. Die junge Markgräfin verwandelt Bayreuth in einen Musenhof. Sie legt Gärten mit Grotten und Labyrinthen an, verziert ihre Schlösser mit künstlichen Blumenspalieren, lässt ein Opernhaus errichten. Künstler aus ganz Europa versammeln sich an ihrem kleinen Hof. Die Markgräfin wechselt Briefe mit Voltaire, studiert Archäologie, spielt Laut und Cembalo, komponiert Konzerte und Opern. Nach 1740 gerät Wilhelmine allerdings in eine tiefe Krise: Ihr Mann hat sich eine Mätresse genommen - ausgerechnet ihre engste Freundin. Wilhelmine versinkt in Melancholie - und tröstet sich mit dem Schreiben ihrer Memoiren. Sie klagt immer häufiger über "schleichendes Fieber", Husten und Krämpfe - vermutlich Folgen einer Tuberkulose. Wilhelmine stirbt am 14. Oktober 1758 in Bayreuth.

Stand: 14.10.08