Stichtag

27. August 2004 - Vor 145 Jahren: Erste Ölquelle in den USA sprudelt

Vor 150 Millionen Jahren schweben im Ozean der Urzeit die Mikroorganismen des Planktons. Die Leichen der Kleinstlebewesen werden auf dem Meeresboden zu Faulschlamm, verrotten aber luftdicht abgeschlossen nur unvollständig. Druck und Wärme der Jahrtausende verwandeln die organischen Kohlenstoffverbindungen in Erdöl. Doch erst viel später wird daraus eine der wichtigsten Energiequellen der Menschheit.US-Staat Pennsylvania, 1859: Edwin Drake sucht in der kargen Landschaft Nordamerikas nach Öl. Nicht für Motoren, sondern für Medikamente. Eine Pharma-Firma hat den arbeitslosen Eisenbahnschaffner nach Titusville geschickt. Der Stamm der Seneca-Indianer soll hier ein Allheilmittel entdeckt haben: eine schwarz schillernde, zähe und streng riechende Flüssigkeit, die als Wundsalbe genauso wirkt wie gegen Mückenstiche. Die wundersame Flüssigkeit liegt so dicht unter der Erdoberfläche, dass sie an einigen Stellen sogar aus dem Boden sickert und auf dem Dorfbach schwimmt. Drake staut den so genannten Oil Creek und schöpft bis zu 35 Liter Öl pro Tag ab. Für die "Seneca-Oil-Company" zu wenig. Da kommt Drake auf die entscheidende Idee: Er will nach Öl bohren, wie nach Trinkwasser. Eine Dampfmaschine treibt das Bohrgestänge bis in 21 Meter Tiefe. Als Drake das Gestänge am Morgen des 27. August 1859 herauszieht, sprudelt das schwarze Gold aus dem Gestein. Er kann jetzt 4.000 Liter pro Tag fördern. Das Ölfieber bricht aus, denn mittlerweile wird der Rohstoff nicht nur medizinisch genutzt. Aus Öl wird auch Petroleum hergestellt, das in den amerikanischen Haushalten für die Beleuchtung sorgt. Ein Jahr nach Drakes Bohrung gibt es in Pennsylvania bereits 2.000 Bohrlöcher.

Der Treibstoff setzt das 20. Jahrhundert in Bewegung. Öl macht mobil – auch im Krieg. Wer Öl hat, hat die Macht. Bereits im Ersten Weltkrieg stellt der französische Premierminister Georges Clemenceau fest: "Benzin ist in den kommenden Schlachten genauso wichtig wie Blut." Im Zweiten Weltkrieg werden Ölquellen zum strategischen Kriegsziel. Denn ohne Treibstoff bleiben die Panzer liegen und der Nachschub stecken. Nach Kriegsende wird das Öl - inzwischen auch am Persischen Golf und in Südamerika entdeckt - zum Motor des Wiederaufbaus und der Weltwirtschaft. Bis zur Ölkrise 1973: Die arabischen Förderländer setzen ihr Erdöl als politische Waffe ein. Sie drehen den israel-freundlichen Staaten den Hahn zu. Der Preis vervierfacht sich. Erdöl hat die Welt verändert und wird den Weltfrieden auch in Zukunft beeinflussen. "Die Kriege des 21. Jahrhunderts werden Kriege ums Öl", sagt der Bonner Politikwissenschaftler Michael Erke. Wie bei der Entdeckung des Erdöls wird die USA in vorderster Front stehen – das zeigt der Einsatz im Irak.Stand: 27.08.04