Stichtag

16. Juli 2008 - Vor 5 Jahren: Todestag des Gynäkologen Kurt Semm

Kurt Semms Lehrer ist gnadenlos. Auf der Operationsbank öffnet der Gynäkologe den Frauen, die aus irgendwelchen Gründen unfruchtbar sind, mit langem Schnitt die Bauchdecke. Er sieht hinein - und näht sie wieder zu, wenn nichts zu machen ist. Dem jungen Assistenzarzt Semm tun diese Frauen Leid: "Jetzt waren sie auch noch verstümmelt, ohne dass sie den Kinderwunsch erfüllt haben konnten."

Semm beschließt, das Leid der Frauen zu lindern. 1927 als Sohn eines Ingenieurs in München geboren, ändert der gelernte Werkzeugmacher in den sechziger Jahren die Methode. Statt des Skalpells setzt er für die Beobachtung der inneren Organe auf kleine optische Instrumente (Endoskope), die durch einen minimalen Schnitt in den durch CO2-Gas geweiteten Bauchraum gelassen werden: Die Bauchspiegelung ist geboren. Später stellt sich Semm die Frage, warum der Chirurg nicht auf die gleiche Art und Weise - gleichsam durchs Schlüsselloch kleiner Schnitte - operieren könne. Er beginnt, die klassischen Instrumente der Chirurgie: Schere, Nadelhalter, Messer so zu verändern, dass sie minimal-invasiv an die Operationsstelle gebracht werden können. So entwickelt Semm die minimal-invasive Chirurgie in den achtziger Jahren quasi im Alleingang.

Von den Kollegen wird Semms Idee einer minimal-invasiven Chirurgie lange Zeit angefeindet. Chirurgen fordern beim Gynäkologenverband gar ein Berufsverbot für den Gynäkologen, der seit 1970 eine Kieler Frauenklinik leitet. Semm macht trotzdem unermüdlich weiter. 1980 entfernt er, in der Fachwelt heftig umstritten, erstmals endoskopisch einen Blinddarm, später folgen Eierstockzysten und komplette Gebärmütter. 1983 entwickelt Semm ein tragbares Schulungsgerät, um seine Methode populär zu machen. "Das kann sich der Arzt zu Hause hinstellen und sich ein halbes Brathuhn kaufen", sagt Semm. "An dem kann er dann alle Operationsschritte, Schnitte, Nähen, Amputation vorführen und sich somit voll ausbilden." Kurt Semm stirbt am 16. Juli 2003 in Tucson, Arizona. Heute werden unter anderem Nieren- und Gallensteine, Herzkranzgefäße und Gelenke endoskopisch operiert.

Stand: 16.07.08