Bei der Besichtigung der Gräber von Katyn 1943: (v. l. n. r.) ein deutscher Offizier als Dometscher, ein Beamter des Propagandaministeriums (in Zivil), zwei kriegsgefangene Angehörigen der britischen Armee, Captain Gilder und Oberstleutnant Stevenson und ein mit Namen nicht geannter deutscher Offizier

Stichtag

13. April 1943 - Das Massaker von Katyn wird bekannt

September 1939: Die Wehrmacht greift Polen an, der Zweite Weltkrieg beginnt. Hitlers Truppen überrennen den Westen des Landes. Sofort startet eine systematische Verfolgung und Ausrottung der polnischen Elite. Zweieinhalb Wochen nach dem deutschen Angriff marschiert auch die Rote Armee im Polen ein. Die Grundlage dafür bietet ein geheimes Zusatzprotokoll zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt. Darin ist die Aufteilung Polens zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion geregelt. Der sowjetische Geheimdienst "Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten" (NKWD) bekommt Zugriff auf die Reste der polnischen Armee in Ostpolen.

Insgesamt rund 25.000 Personen werden in Lagern interniert - vor allem Offiziere, aber auch Akademiker, Ingenieure, Ärzte und Intellektuelle. Zunächst versucht NKWD-Chef Lawrenti Pawlowitsch Berija vergeblich, sie umzuerziehen. "Dann hat Berija Stalin vorgeschlagen, man sollte sei doch als eingeschworene Feinde der sowjetischen Ordnung erschießen", sagt Joachim von Puttkamer, Osteuropa-Historiker an der Uni Jena.

Taktische Entrüstung von Goebbels

Im Frühjar 1940 rollen täglich Züge aus den Internierungslager nach Katyn in der Nähe von Smolensk und zu zwei anderen Erschießungsorten. Die polnischen Gefangenen behalten ihre Winterkleidung an. Sie tragen Ausweise, Tagebücher, Zeitungsausschnitte und sogar Orden bei sich. Die Gefesselten werden mit Genickschüssen ermordet. Ein Jahr später greift Hitler seinen Bündnispartner Stalin an. Nun paktiert Stalin mit den Briten, Amerikaner und Exil-Polen. Die polnische Exil-Regierung in London baut eine eigene Armee auf - und fragt Stalin nach den verschwundenen polnischen Offizieren.

Doch die Frage bleibt unbeantwortet - bis die Wehrmacht im Februar 1943 Massengräber bei Katyn findet. Am 13. April lässt Hitlers Propaganda-Chef Joseph Goebbels die Nachricht vom Fund der Leichen zum ersten Mal über den Rundfunk ausstrahlen: "Eine furchtbare Warnung an die Menschheit." Deutschland setzt eine internationale Untersuchungskommission ein. Doch die Entrüstung ist rein taktischer Natur: Gleichzeitig deportiert die SS tausende Juden aus dem Warschauer Ghetto in die Vernichtungslager.

Spätes Eingeständnis von Gorbatschow

Goebbels Kalkül, einen Keil in das Bündnis der Alliierten zu treiben, geht nicht auf. Großbritanniens Premierminister Winston Churchill und US-Präsident Franklin D. Roosevelt wissen, dass sie Stalin für den Sieg über Hitler brauchen. "Churchill hat einem polnischen Gesprächspartner recht deutlich gesagt: Davon, dass man Stalin dieses Verbrechens anklagen würde, würden die Toten auch nicht wieder lebendig", erklärt Historiker von Puttkamer. "Roosevelt hat einfach abgewehrt und gesagt, das könne er sich nicht vorstellen."

Nur die polnische Exilregierung bohrt solange, bis Stalin den Kontakt zu ihr abbricht. Stattdessen baut er eine eigene polnische "Volksregierung" auf. Nach ihrem Sieg über Hitler lassen die Sowjets in Katyn graben und kommen zu einem anderen Ergebnis. Nach ihrer Version waren die Täter deutsche Faschisten. Erst 1990 gesteht der Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow ein, dass der NKWD über 10.000 polnische Gefangene in Katyn erschossen hat.

Stand: 13.04.2008