Stichtag

19. Februar 2007 - Vor 50 Jahren: Karnevalsfreie Zone im Rheinland

Februar 1957: Die meisten Deutschen sind fleißig mit dem Wiederaufbau und dem Wirtschaftswunder beschäftigt. Erholung und Ablenkung finden die Menschen im Kino oder -  im Rheinland zu dieser Jahreszeit: Im Karneval. Doch nicht alle begeistern sich für Schlager oder Karnevalshits. Vor allem junge Leute haben ganz andere Vorlieben: Bill Haley und andere Rock'n Roller sind die musikalischen Vorbilder für viele Jugendliche. James Dean ist ihr Idol. So wie er im Film "Denn sie wissen nicht, was sie tun" rebellieren viele Heranwachsende gegen ihre Eltern. In der rheinischen Kleinstadt Gibbenich wechseln die Bewohner lieber die Straßenseite, wenn ihnen die ortsansässige Halbstarken-Bande entgegenkommt.

Der Boss der Gibbenicher Bande heißt Horst Mäker. Inspiriert von James Dean legt sich der 19-Jährige häufig mit seinem Vater an - dem Präsidenten des örtlichen Karnevalsvereins. "Es gab da dieses unglaubliche Spannungsverhältnis zwischen Vater und Sohn Mäker, das hat hier jeder gewusst", erinnert sich der heutige Stadt-Archivar Cordt Westermann. "An Karneval ist die Situation dann irgendwie eskaliert." Den Halbstarken macht es nämlich besonderen Spaß, die Narren zu provozieren: Sie knattern mit ihren Mopeds stundenlang um die Stadthalle, in der gerade eine Sitzung läuft, oder reißen die Karnevals-Dekoration von Geschäften ab. Die Gibbenicher Karnevalisten wenden sich in ihrer Not an den Innenminister von Nordrhein-Westfalen. Doch Hubert Biernat sieht noch keinen Handlungsbedarf: "Es gab immer junge Menschen dieses Alters, die sich aufgelehnt und lustige Streiche gemacht haben."

Die Gibbenicher Narren sind empört und greifen zur Selbsthilfe. Am 19. Februar 1957, dem Tag des großen Karnevalsumzugs, ist ganz Gibbenich auf den Beinen - und auch Horst Mäker und seine Halbstarken. Sie haben es auf den großen Mottowagen abgesehen. Mit faulen Eiern wollen sie Wagen und Narren bewerfen. Doch als das von vier Pferden gezogene Gespann auftaucht, lassen die Halbstarken vor Empörung die Wurfgeschosse fallen: Auf dem Wagen ist ein riesiges Porträt von James Dean mit der Aufschrift "Denn er wusste nicht, wie man fährt". Das Idol, das ein Jahr zuvor bei einem Autounfall gestorben war, so zu verhöhnen - das ist zu viel für die Halbstarken. Sie zerlegen den Wagen in seine Einzelteile und randalieren in der Stadt, bis die Polizei die Situation unter Kontrolle bringt. Um weitere Auseinandersetzungen zwischen Halbstarken und Karnevalisten zu vermeiden, lässt NRW-Innenminister Hubert Biernat in einem Umkreis von zehn Kilometern alle Karnevalsveranstaltungen verbieten und errichtet somit die erste karnevalsfreie Zone im Rheinland. Diese ist allerdings auf keiner Karte zu finden, den Gibbenich wird umbenannt in Gibt-es-nicht!

Stand: 19.02.07