Kurt Gerron, Schauspieler und Regisseur

Stichtag

11. Mai 1897 - Kurt Gerron wird geboren

Theresienstadt im Sommer 1944: Auf einer Bühne vor den Toren des Konzentrationslagers steht ein großer, abgemagerter Mann in einem viel zu weiten Anzug. Er singt die "Moritat von Mackie Messer" aus Brechts "Dreigroschenoper". Mit diesem Lied ist er 16 Jahre zuvor in Berlin bekannt geworden. Der makabere Auftritt ist Teil eines Propagandafilms, den die SS als "Dokumentation aus dem jüdischen Siedlungsgebiet" drehen lässt. Kurt Gerron, der Sänger, ist zugleich Regisseur dieses Films. Die Nazis zwingen den jüdischen Häftling, das KZ als Kurort für Juden zu inszenieren. Kurz nach Abschluss der Dreharbeiten wird Gerron nach Auschwitz deportiert. Er ist 47 Jahre alt, als er im November 1944 in der Gaskammer stirbt.

Filmstudio, Bühne, Kabarett

Geboren wird Kurt Gerron am 11. Mai 1897 in Berlin als Einzelkind einer jüdischen Kaufmannsfamilie. Mit 17 Jahren macht er sein Abitur und will Arzt werden. Nach einem Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg entscheidet sich der junge Mediziner jedoch, zur Bühne zu gehen. Obwohl er keine Schauspielausbildung hat, fühlt sich Gerron bestens gerüstet: "Arzt und Schaupieler haben etwas gemeinsam: die Menschenbeobachtung." Er tritt zunächst in Stummfilmen auf. Wegen seiner Körperfülle gilt der grobschlächtig wirkende Gerron als Idealbesetzung für Schurken aller Art. 1923 lernt er die zierliche jüdische Juwelierstochter Olga Meyer kennen und heiratet sie ein Jahr später.

Nach seinem Erfolg als korrupter Polizeichef Tiger Brown in der "Dreigroschenoper" 1928 ist Gerron nicht nur in Theater und Kabarett gefragt: Hollywood-Regisseur Josef von Sternberg engagiert ihn für den Ufa -Film "Blauer Engel", bei dem auch Marlene Dietrich mitspielt. Gerron tritt zwischen 1930 und 1933 in 13 Filmen auf - vor allem in so genannten Optimismus-Produktionen wie "Die Drei von der Tankstelle". Er arbeitet rund um die Uhr: Tagsüber im Studio, abends auf der Bühne und nachts im Kabarett. Er führt Regie bei drei großen Ku'damm-Revuen und schließlich auch für die Ufa.

"Der Führer schenkt den Juden eine Stadt"

Der "Judenboykott-Tag" am 1. April 1933 trifft ihn wie ein Schlag: Mitten in den Dreharbeiten fordert der Produktionsleiter den Regisseur auf, das Studio zu verlassen. Zusammen mit seiner Frau verlässt Gerron Deutschland. Nach einer Odyssee landet er schließlich in den Niederlanden, wo er noch zwei erfolgreiche Filme drehen kann. Die Sicherheit ist trügerisch: 1940 marschieren die Nazis in Holland ein. Im Sommer 1943 werden alle Juden aus Amsterdam ins Übergangslager Westerbrok verschleppt. Mit anderen früheren Berliner Kollegen baut Gerron ein Lager-Kabarett auf.

Ein halbes Jahr später kommen Olga und Kurt Gerron nach Theresienstadt. Wieder richtet Gerron ein Kabarett ein, sein "Karussell". Im Sommer 1944 erhält er den Befehl, den Propagandafilm "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt" zu drehen. Im Oktober, noch bevor der Film fertig geschnitten ist, werden Olga und Kurt Gerron in einem Viehwaggon nach Osten deportiert. Als der Propaganda-Streifen im Frühjahr 1945 vorgeführt wird, ist Kurt Gerron längst in Auschwitz ermordet worden.

Stand: 11.05.2007