Stichtag

10. Oktober 1924: Start der Westdeutschen Funkstunde

"Achtung, Achtung! Hier ist die Sendestelle Münster in Westfalen auf Welle 407!" Mit dieser Ankündigung nimmt die "Westdeutsche Funkstunde AG" (WEFAG) am 10. Oktober 1924 ihren Betrieb auf. Sie ist damit letzte der neun bereits in Deutschland bestehenden Rundfunkanstalten, die alle privatwirtschaftlich organisiert sind. Hauptaktionär der WEFAG ist die Stadt Münster, die mehr als die Hälfte des Aktienkapitals von 60.000 Goldmark einbringt. Neben zwei Kaufleuten und einem Bankier gehört auch die Reichspost zu den Aktionären. Dass Münster überhaupt einen Sender bekommt, liegt an der politischen Situation: Das Rheinland und das Ruhrgebiet sind nach dem Ersten Weltkrieg zum größten Teil von alliierten Truppen besetzt. Aus Furcht vor Spionage haben diese nicht nur den Betrieb von Funkanlagen, sondern sogar das Halten von Brieftauben verboten. Münster ist unbesetzt und wird deshalb zur Wiege des WDR.

Als Funkhaus dient ein ehemaliges Generatorenhaus der Stadt Münster, das extra mit viel Plüsch und Samt ausgestattet wird - was jedoch der Akustik nicht förderlich ist. Hier wird Hörfunkgeschichte geschrieben: Der Sportjournalist Bernhard Ernst berichtet am 1. November 1925 über das Fußballspiel Arminia Bielefeld gegen Preußen Münster - vermutlich die erste Liveübertragung im deutschen Rundfunk. Als die WEFAG in Münster startet, kostet ein Röhrenradio um die 400 Reichsmark. Das Vorläufer-Modell, ein einfaches Detektorgerät mit Kopfhörern, bekommt man schon für 70 Reichsmark. Hinzu kommen die Rundfunkgebühren von zwei Mark. Zum Vergleich: Ein gelernter Arbeiter erhält einen Stundenlohn von 88 Pfennig. Deshalb gibt es beim Hauptbahnhof eine Gaststätte, in der man für 20 Pfennig Radio hören kann. Dennoch steigt die Zahl der Hörer rasant: Zu Beginn des Programms gibt es rund 6.000 Empfangsgeräte, im Dezember 1924 sind es bereits 14.000 Geräte.
Als Anfang 1926 die alliierten Truppen aus den besetzten Gebieten abziehen, beschließt die WEFAG, ihren Sitz nach Köln zu verlegen. Zunächst ist auch Düsseldorf im Gespräch, aber schließlich interveniert der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer und entscheidet das Rennen für seine Stadt. Ein Jahr später startet in Köln die "Westdeutsche Rundfunk AG" (WERAG). Am 28. Februar 1927 wird zum ersten Mal der Kölner Rosenmontagszug übertragen. Münster darf aber noch eigene Programmteile liefern. Kurz vor der so genannten Machtergreifung durch die Nazis wird der Sender Münster schließlich ganz stillgelegt. Zum Hauptsender wird die Station Langenberg, deren Sendeleistung drastisch erhöht worden ist. Der Sprecher in Münster verabschiedet sich zum letzten Mal mit den Worten: "Und vergessen Sie nicht, Ihre Antenne zu erden."

Stand: 10.10.04