Stichtag

24. August 2007 - Vor 20 Jahren: Erster deutscher Windpark in Betrieb

Growian war eindeutig ein mutiger Schritt in die falsche Richtung. Nach dreijähriger Erprobungsphase und endlosen technischen Pannen wird die "GRoße WIndenergie-AN lage", ein einziger Riesenquirl mit einem Rotordurchmesser von über 100 Metern, im Juni 1987 wieder stillgelegt. Das an seinen gewaltigen Dimensionen gescheiterte Forschungsprojekt im norddeutschen Kaiser-Wilhelm-Koog hat bewiesen: Mit wenigen, dafür riesigen Windmühlen ist eine wirtschaftliche Nutzung der Windenergie nicht praktikabel. In direkter Nähe zum Growian, nahe dem Städtchen Marne, entsteht deshalb auf 20 Hektar eine Anlage aus insgesamt 30 kleineren Rotoren. Sie soll Strom für mehr als 400 Haushalte liefern und nimmt am 24. August 1987 den Betrieb auf.

Genau um 12 Uhr 12 legt Uwe Barschel mit starker Hand einen Hebel um und schaltet Deutschlands ersten Windenergie-Park ans Netz. "Ständig kräftigen Wind von vorn", wünscht Schleswig-Holsteins Ministerpräsident. Doch ausgerechnet an diesem Tag hat sich die sonst stetige Brise an der Westküste verflüchtigt. Mit rund vier Metern pro Sekunde muss der Wind blasen, damit die Turbinen der 30 Mühlen Strom erzeugen können. Fällt die Marke darunter, zieht die Anlage für die eigene Elektronik sogar Strom aus dem Netz; die Rotoren drehen sich dann, wie am Eröffnungstag, im Freilauf. Ob die Windräder also gerade null oder 100 Prozent Leistung bringen, ist von außen nicht zu erkennen. 

Rund fünf Millionen Mark hat ein Industrie-Konsortium mit der Firma MAN an der Spitze sowie die Landkreise Dithmarschen und Steinburg in den Windenergie-Park Westküste investiert. Neben der Leistungsausbeute von insgesamt 1.000 Kilowatt soll die Anlage im Kaiser-Wilhelm-Koog auch einen deutlichen Werbeeffekt bringen. Endlich kann die deutsche Wind-Industrie ihre Produkte im eigenen Land präsentieren. In den folgenden Jahren erlebt die Entwicklung der Windenergie-Technologie einen regelrechten Boom. Die Leistung einer mittleren Anlage steigt von anfangs 50 Kilowatt auf bis zu zwei Megawatt; die Rotorblätter wachsen von 16 Meter im Durchmesser auf über 90 Meter. Mit jedem neuen Windrad wächst allerdings auch die Kritik an der "Verspargelung der Landschaft". Viele Küstenbewohner sehen ihre Heimat inzwischen zum "Ruhrpott des Nordens" mutiert: "Nur statt der Schornsteine haben wir jetzt die Windräder", klagen die Dithmarscher.

Stand: 24.08.07