Stichtag

29. Januar 2007 - Vor 5 Jahren: US-Präsident Bush spricht von der "Achse des Bösen"

"Unsere Nation ist im Krieg, unsere Wirtschaft ist im Tief und der zivilisierten Welt drohen Gefahren, wie es sie noch nie gegeben hat." Mit diesen Worten beginnt US-Präsident George W. Bush am 29. Januar 2002 seine Ansprache vor den Abgeordneten und Senatoren des amerikanischen Kongresses. Die jährliche Rede zur Lage der Nation wird landesweit im Fernsehen übertragen. Die Anschläge des 11. September liegen gut vier Monate zurück. Das Land steht unter Schock. Schon auf den Trümmern von Ground Zero hat Bush nach einem Megaphon gegriffen und unter dem Beifall der New Yorker Feuerwehrleute versprochen: "Die, die diese Türme zum Einsturz gebracht haben, werden bald von uns hören." Wochen später stürzen die Vereinigten Staaten das Taliban-Regime in Afghanistan. Dort soll sich Osama Bin Laden, der mutmaßliche Drahtzieher der Flugzeug-Attentate, aufhalten. Doch Bush will nicht nur Vergeltung und die Bestrafung der Täter. Er will mehr: Vor dem Kongress erklärt er dem Terrorismus weltweit einen umfassenden Krieg. In der einstündigen Rede stimmt Bush seine Landsleute auf weitere Angriffe ein. Dabei spricht er von Prävention. Vorbeugend sollen Regime, die Amerika angeblich mit Massenvernichtungswaffen bedrohen, daran gehindert werden, sie zu entwickeln, zu besitzen oder gar anzuwenden. Er spricht Nord-Korea, Iran und Irak direkt an: "Staaten wie diese und ihre terroristischen Verbündeten stellen eine Achse des Bösen dar, die sich rüstet, den Frieden der Welt zu bedrohen."

Unmittelbar danach beginnen die Vorbereitungen für den Irak-Krieg. Ein Jahr später fallen Bomben auf Bagdad. Die anderen "Achsen"-Mächte reagieren. Nordkorea demonstriert mit Atombombentests seine Verteidigungsbereitschaft. Iran verfolgt weiter das Ziel einer eigenen Urananreicherung. Anschläge wie jene von Bali (2002), Madrid (2004) und London (2005) werden allerdings offenbar nicht von den angeprangerten Ländern verübt. Die so genannte Achse des Bösen entpuppt sich vielmehr als weit verzweigtes Netz kleiner Terrorzellen. Auch schreckt die Rhetorik des US-Präsidenten die fanatischen Gewalttäter nicht ab, sondern spornt sie offensichtlich zu immer neuen Attentaten an. "Die Schaffung neuer Spannungen im Namen der Terrorismus-Bekämpfung bringt den Terroristen nur einen Sieg, wie sie ihn allein nicht erreichen könnten", warnt der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan.

Die Stimmung in Amerika schlägt um, als die versprochene Beruhigung der Lage in Afghanistan und Irak nicht eintritt. Die Stimmberechtigten strafen den Präsidenten ab. Bei den Zwischenwahlen im November 2006 verlieren die Republikaner in beiden Abgeordnetenhäusern die Mehrheit. Bush entlässt Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und kündigt einen Kurswechsel an. Doch auch im Januar 2007 spricht Bush in seiner Rede zur Lage der Nation über "das Böse", das noch immer in der Welt wirke. "Und so lange das der Fall ist, ist Amerika eine Nation im Krieg." An der Wortwahl hat sich damit nichts geändert. Bereits fünf Jahre zuvor hat Bush seiner Kriegserklärung einen religiösen Anstrich gegeben: "Das Teuflische gibt es wirklich und es muss bekämpft werden", sagt er 2002 gegen Ende seiner Rede zur Lage der Nation. "Und viele haben wieder entdeckt, dass sogar im Unglück - besonders im Unglück - Gott uns nahe ist."

Stand: 29.01.07