Stichtag

24. Dezember 2006 - Vor 190 Jahren: "O du fröhliche" erstmals an Weihnachten gesungen

In einer Winternacht des Kriegsjahres 1813 stapft der 35-jährige Privatgelehrte und Schriftsteller Johannes Daniel Falk bei starkem Schneetreiben durch Weimar. So zumindest will es die Legende. Da kommt ihm eine Mutter entgegen, die mit ihrem neunjährigen Knaben hilflos herumirrt. Vor Falks Augen stürzt die Italienerin ohnmächtig zu Boden. Er bringt sie in ein nahegelegenes Spital, wo die erschöpfte Mutter stirbt. Den Jungen, Pietro mit Namen, nimmt der protestantische Dichter bei sich auf. Er ist Gründungsmitglied der "Gesellschaft der Freunde in der Not": Neben Pietro betreut er etwa 30 andere Kinder, die durch den Kampf gegen Napoleon zu Waisen geworden sind. Er gibt ihnen Brot, vermittelt sie an Pflegefamilien und unterrichtet sie in seiner Sonntagsschule.Allmählich erfährt Falk, der 1813 vier seiner sechs eigenen Kinder verloren hat, Pietros Geschichte. Als Marketenderin ist seine Mutter mit ihm hinter den Truppen hergezogen, um ihrem Mann auf den Schlachtfeldern Europas und Russlands nahe zu sein. Der Soldat fällt in der Völkerschlacht bei Leipzig, die Mutter wünscht sich nichts sehnlicher, als nach Sizilien zurückzukehren. Immer, wenn sie das Heimweh übermannt, summt sie die Melodie eines alten sizilianischen Fischerlieds. Die Legende will, dass sich Falk auf die Suche nach dem Originallied macht, um Pietro eine Freude zu bereiten. Er findet es in Johann Gottfried Herders Sammlung "Stimmen der Völker in Liedern". Mit "O du heilige, hochgebenedeite, süße Mutter der Liebe, Trösterin der Leiden, Quelle der Freuden, Hilf du Maria" hat Herder die italienischen Zeilen übersetzt.

Der Text ist viel zu kompliziert für die Zöglinge in Falks Sonntagsschule. Um ihre Seele mit Musik heilen zu können, muss sich der Dichter etwas Leichteres einfallen lassen. Er schreibt einen Text, der sich in seinen Strophen mit unterschiedlichen christlichen Festen befasst und der von "seinen" Waisenkindern zur Erbauung auswendig gesungen werden muss. Nur die ersten, mit "O du fröhliche" beginnenden, Zeilen handeln von Weihnachten. Sie werden am 24. Dezember 1816 erstmals gesungen. Erst als die Beliebtheit des Liedes steigt, schreibt ein Zögling Falks alle drei Strophen ganz auf das Fest der Liebe um. Inzwischen ist "O du fröhliche" das wohl beliebteste deutsche Weihnachtslied.

Stand: 24.12.06