Stichtag

19. September 1951: Premiere des Films "Endstation Sehnsucht"

In New Orleans haben die Straßenbahnen keine Nummern, sondern Namen. Der junge Autor Tennessee Williams wohnt im French Quarter über der Linie "Desire" - was Sehnsucht, aber auch Begierde heißt. "A Streetcar Named Desire" (deutsch wird daraus "Endstation Sehnsucht") nennt er sein Theaterstück, das den krisenhaften Wandel der Südstaatenwelt an einer Familie vorführt: An dem polnischen Einwanderer Stanley Kowalski und seiner Frau Stella sowie deren Schwester Blanche. Das Stück ist schonungslos und brutal. Blanches Mann war homosexuell und nahm sich das Leben, sie ist hysterisch und wird schließlich wahnsinnig. Stella ist dem sinnlichen Kraftprotz Stanley hörig, der am Ende Blanche vergewaltigt.1947 führt der Regisseur Elia Kazan das Stück auf dem Broadway in New York auf. Kazan, Gründer der Schauspielschule "Actor's Studios", revolutioniert die Bühne durch eine neue Direktheit des Spiels. Stanley Kowalski lässt er durch den noch völlig unbekannten Marlon Brando spielen, der manches mit der Figur gemeinsam hat: Er ist Sohn einer Alkoholikerin und eines gewalttätigen Vaters und kaschiert seine Probleme durch protzig-männliches Auftreten. Brandos Spiel macht das schwer verdauliche Stück zu einem sensationellen Publikumserfolg. Dennoch dauert es mehrere Jahre, bis sich Hollywood an eine Verfilmung traut. 1950 beauftragt Jack Warner Kazan damit - ausgerechnet, als Senator McCarthy mit seinem "Ausschuss zur Untersuchung unamerikanischer Umtriebe" mit der Verfolgung linker Intellektueller beginnt. Kazan ist ehemaliges Mitglied der kommunistischen Partei.

Kazans Film wird mehrfach zensiert, bevor er in die Kinos kommt: Die freiwillige Selbstzensur Hollywoods streicht das Thema Homosexualität und schwächt die Vergewaltigungsszene ab. Zusätzliche Änderungen setzt die katholische "Legion of Decency" durch. Kazan verfilmt "Endstation Sehnsucht" mit seiner kompletten Theater-Besetzung. Nur die Rolle der Blanche wird jetzt durch Vivien Leigh gespielt, die als Scarlett O`Hara in "Vom Winde verweht" berühmt wurde. Am 19. September 1951 startet der Film in den New Yorker Kinos. Es wird ein Kassenerfolg, von Kritikerlob überhäuft und mit drei Oscars ausgezeichnet. Das Zusammenspiel von Leigh und Brando gibt dem Film eine Intensität, der sich die Zuschauer kaum entziehen können. Hinzu kommen eine Kameraführung nah an den Figuren, ein aufreizender Jazz-Soundtrack und die engen Unterhemden von Marlon Brando. Die Kostümbildnerin Lucinda Ballard hat sie entworfen, umBrandos muskulösen Körper zu betonen. Die bis dahin unbekannten Hemden werden zur Mode der Jugend.

Stand: 19.09.06