Stichtag

31. Mai 2006 - Vor 90 Jahren: Der Schriftsteller Gorch Fock ertrinkt

Sehnsüchtig schauen die Mädchen von Finkenwerder übern Deich. Nur auf der Nordsee kann man reich werden, singen sie, da wo ihre Männer auf Fischfang gehen. So hat es der norddeutsche Dichter Gorch Fock in vielen seiner Lieder, Erzählungen und dramatischen Romane beschrieben. Der bekannteste trägt den Titel "Seefahrt ist Not!". Er erzählt vom unbändigen Wunsch des Fischerjungen namens Störtebecker, genauso erfolgreich wie sein Vater zur See zu fahren. Selbst dessen Tod im Skagerrak hält Störtebecker von seinem Traum nicht ab. Schließlich muss die besorgte Mutter ihn ziehen lassen.Gorch Fock wird 1880 unter dem Namen Johannes Wilhelm Kinau als ältestes von sechs Kindern in Hamburg-Finkenwerder geboren. Er wird trotz seines Wunschs kein Fischer. Einen Test seines Vaters auf Seetüchtigkeit besteht der 12-Jährige, anders als sein wenig jüngerer Bruder, nicht. Vielleicht ist dies der Grund, warum der junge Mann später zumindest am Schreibtisch dem Meer nah sein will: tagsüber als Angestellter bei der Reederei Hapag an der Elbe, abends als Gorch Fock beim Erdichten von Geschichten. In ihnen beschreibt er die Lebenswirklichkeit der Fischer mit plattdeutschen Elementen derart eindringlich und teils idealisierend, dass seine Bücher zu Bestsellern werden. Bis heute erinnert an Gorch Fock ein Schulschiff gleichen Namens.

Die Ironie der Geschichte will es, dass Fock trotzdem das selbe Schicksal wie das von Störtebeckers Vater ereilt. Als Matrose der Kriegsmarine, zu der er sich freiwillig gemeldet hat, ertrinkt er am 31. Mai 1916 in den Fluten des Skagerrak. Mit ihm versinkt die Welt, die er beschreibt. Heute hat Finkenwerder nur noch zwei Fischer. Haupteinnahmequelle der Bewohner ist die Flugzeugindustrie.

Stand: 31.05.06