Stichtag

31. Oktober 2006 - Vor 250 Jahren: Casanova entkommt aus den Bleikammern

Giacomo Casanova geht es nicht gut. Ihn plagen Hämorriden, Fieber und Schüttelfrost, er leidet unter Einsamkeit. Tausende von Flöhen saugen ihm "mit unbeschreiblicher Hartnäckigkeit und Begier" das Blut aus den Adern. Unter den Bleiplatten seines Gefängnisses über der Seufzerbrücke in Venedig ist es unerträglich kalt. Im Winter herrscht 19 Stunden lang Dunkelheit in seiner Zelle. Casanova hat sich deshalb aus Salatöl, einem Tiegel für Spiegeleier und den Baumwollfäden seiner Bettdecke eine Lampe gebastelt. Licht braucht er für seinen Plan, der bisher noch niemandem gelang: Er will aus den berüchtigten Bleikammern der Inquisition fliehen. Und sein Wille ist unerschütterlich.

Offenbar hat die Inquisition im November 1755 einen Spitzel auf den leichtsinnigen Lebemann angesetzt. Verbotene Bücher soll er besitzen, der Magie und der Freimaurerei verfallen sein. Zudem verführe er junge Menschen zum Atheismus und betrüge im Spiel. So lautet die Anklage seiner Häscher, von der man den Schürzenjäger aber nicht in Kenntnis setzt. Diese Ungewissheit spornt Casanova nur noch weiter an. Mit einem Stück Marmor schleift er einen Metallriegel zu einer Art Meißel und kämpft sich in monatelanger Arbeit mühsam durch den Boden. Als das Werk fast vollendet ist, kommt sein Wärter und teilt ihm freudestrahlend mit, dass er in ein helleres Quartier verlegt werden soll. Die ganze Arbeit war umsonst.Natürlich entdeckt der Wärter das Loch im Boden der Zelle und bestraft Casanova mit fauligem Essen. Die Inquisition allerdings unterrichtet er nicht. Casanova gibt nicht auf. Den Meißel schmuggelt er in einer Schüssel Makkaroni in die Zelle eines Mitwissers. Dieser durchstößt die eigene Zellendecke, um dann über den Dachboden zu Casanova vorzustoßen. Am 31. Oktober 1756 gelingt beiden die Flucht. Nachdem Casanova die Bleiplatten des Daches abgedeckt hat, kriecht er mit seinem Komplizen auf allen Vieren das schräge Dach hinauf und bekommt bei einem Sturz nur mit viel Glück die Dachrinne zu fassen. Dann hangeln sich beide durch ein Fenster. Ein verdutzter Wachmann, der glaubt, den blutverschmierten Edelmann in seinem vornehmen Rock aus Versehen eingesperrt zu haben, öffnet ihnen die Türe. Casanova selbst öffnet dieses Abenteuer die Tore zu Europas Könighäusern. Nun ist sein verwegenes Leben endgültig in aller Munde.

Stand: 31.10.06