Stichtag

26. Dezember 2006 - Vor 115 Jahren: Henry Miller wird geboren

"Gerichte mögen die Jugendlichen schützen - aber nicht vor der Darstellung des Geschlechtverkehrs und schon gar nicht vor der Darstellung aus der Feder eines weltberühmten Schriftstellers", verteidigt Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki das Werk von Henry Miller. Bekannt geworden ist der US-Schriftsteller mit seinem autobiographisch geprägten Roman "Wendekreis des Krebses", der 1934 in Frankreich zum ersten Mal veröffentlicht wird. Darin schildert er unter anderem tabulos und in direkter Sprache Sexualpraktiken und sexuelle Wünsche. Für die einen ist das Buch Pornographie, für die anderen ist es Literatur. In den USA wird es bis 1961 nicht gedruckt und vom Zoll bei Einreisenden beschlagnahmt. Erst 1970 entsteht in den USA nach dem Roman auch ein Film.Henry Valentine Miller wird am 26. Dezember 1891 als Sohn einer deutschen Einwandererfamilie im New Yorker  Stadtteil Brooklyn geboren. Der Vater hat eine Schneiderei, die Mutter kümmert sich um den Haushalt. Henry und seine geistig behinderte Schwester wachsen zweisprachig auf. Er liest alles, was ihm in die Finger kommt - egal ob Literatur oder Schund. "Ich glaubte damals, die ganze Tragödie des Lebens sei in Büchern niedergeschrieben, und ich hielt das, was außerhalb der Bücher geschah, nur für verdünnte Scheiße", erinnert sich Miller später. Seine eigenen Schreibversuche scheitern zunächst. Nach dem College nimmt er verschiedene Jobs an: in der Schneiderei seines Vaters, als Experte für Rechenmaschinen und als Angestellter in der Postabteilung des Kriegsministeriums.

Miller heiratet eine Klavierlehrerin, die er 1924 wegen der Nachtclub-Tänzerin June Edith Smith verlässt. Die beiden beginnen ein abenteuerliches Leben. Sie wohnen in dunklen, feuchten Zimmern, leben vom Verkauf von Gebäck und Junes Gagen als Varieté-Girl. Sie trinken und feiern nächtelang. Sein Lebenswende beschreibt Miller später in der Trilogie Sexus (1949), Plexus (1953) und Nexus (1959). Nach seiner Trennung von June geht Miller 1930 allein nach Paris und beginnt zu schreiben: "Leiden schafft Freude. Durch das Schreiben habe ich die Freude am Leben entdeckt." In seinen Büchern verschwimmen Fiktion und Fakten. Freunde und Bekannte werden zu überzeichneten Figuren. Millers Leben dient als Material für seine Literatur. Miller wird zum Historiker seines eigenen Lebens, sagt Schriftsteller Heinrich Böll: "Es steckt ein guter Teil Dilettantismus in seiner Kunst. Er ist völlig identisch, fast kongruent mit dem, was er schreibt und wie er schreibt." Bedeutsam für Miller ist seine Begegnung mit Anais Nin, die ihm als Geliebte und Mäzenin die Veröffentlichung von "Wendekreis des Krebses" ermöglicht. Aus Angst vor dem drohenden Krieg verlässt Miller 1939 Frankreich und kehrt in die USA zurück. Seinem Grundsatz bleibt der Rebell, Verweigerer und fünffache Ehemann bis zu seinem Lebensende treu: "Ich will Gott, den Menschen, dem Schicksal, der Welt, der Liebe und Schönheit in den Hintern treten." Henry Miller stirbt im Alter von 88 Jahren am 7. Juni 1980 in Pacific Palisades im US-Bundesstaat Kalifornien.

Stand: 26.12.06