Stichtag

12. Februar 2006 - Vor 30 Jahren: Bundestag hebt Pockenimpfpflicht auf

Sie beginnen wie ein Schnupfen, aber über die Schleimhäute breitet sich der Erreger Viriola major im ganzen Körper aus. Nach vier Tagen bilden sich Bläschen, schließlich eitrige Pusteln am ganzen Körper. Der junge Mozart hat die Virusinfektion überlebt, aber zu seiner Zeit erliegen jährlich etwa 400.000 Menschen in Europa den Pocken.

Der englische Landarzt Edward Jenner beobachtet, dass Melkerinnen, die sich mit den ungefährlicheren Kuhpocken infiziert haben, nie an den Menschenpocken erkranken. 1796 impft er ein neunjähriges Mädchen mit Kuhpocken und infiziert es anschließend mit Viriola major. Das Kind überlebt den Menschenversuch. Die Pockenimpfung ist erfunden.

Bismarck setzt Impfgesetz durch


Später entdecken deutsche Forscher, dass die Impfung für sicheren Schutz etwa alle zehn bis zwölf Jahre wiederholt werden muss. Im Krieg 1870/1 haben die deutschen Soldaten diesen Wiederholungsschutz und verzeichnen nur 278 Infektionen im Heer, die französischen Gegner dagegen 23.400. Kanzler Bismarck ist so beeindruckt, dass er 1874 ein Pockenschutzgesetz für das Deutsche Reich durchsetzt. Es gilt 102 Jahre lang.

Am 12. Februar 1976 hebt der Deutsche Bundestag die Impfpflicht für die Bundesrepublik auf. Denn inzwischen hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Pocken für weitgehend ausgerottet erklärt. Das Risiko der Impfung ist nicht mehr gerechtfertigt: In zehn von einer Million Fällen löst die Impfung eine gefährliche Gehirnhautentzündung aus.

Seit 1976 wächst in Deutschland eine Bevölkerung ohne die typischen Oberarmnarben von der Impf-Ritzung heran. Die Pocken gelten als besiegt. Nach dem 11. September 2001 allerdings sind die Gesundheitsbehörden erneut alarmiert. Denn Russland und die  USA haben gegen den Willen der  WHO Restkulturen des Pockenvirus im Labor aufbewahrt. Was, wenn sie Terroristen in die Hände fallen? Seither legen viele Staaten neue Impfreserven an.

Stand: 12.02.06