Stichtag

10. August 1966 - Das Lazarettschiff "Helgoland" läuft nach Vietnam aus

"Keine Mark und keinen Mann für den Krieg in Vietnam" skandieren Mitte der 60er Jahre Demonstranten gegen den Krieg in Südostasien. Die Bundesregierung ist in der Zwickmühle: Die deutsche Öffentlichkeit ist strikt gegen jede Beteiligung am Bürgerkrieg. Doch die USA erwarten von ihren Verbündeten einen Beitrag im Kampf gegen den Vietcong. Bei seinem Besuch in Washington wird Bundeskanzler Ludwig Erhard (CDU) am 20. Dezember 1965 von Präsident Lyndon B. Johnson um den Einsatz der Bundeswehr gebeten. Mit "Entsetzen und Unbehagen" habe der Kanzler auf diesen Wunsch reagiert, erinnert sich Erhards außenpolitischer Berater, Horst Osterfeld. Nach dem Staatsbesuch beginnt in Bonn die Suche nach einem Kompromiss: Die Amerikaner sollen zufrieden gestellt, aber zugleich muss eine innenpolitische Krise verhindert werden. Die Lösung: Ein Lazarettschiff soll die Zivilbevölkerung Südvietnams medizinisch versorgen.

Für den Einsatz in Vietnam wird der Ausflugdampfer "Helgoland" zum Hospitalschiff umgerüstet. Der 1963 gebaute Dampfer ist so konstruiert, dass er im Ernstfall auch Verwundete transportieren kann. Nach fast sechs Monaten Umbauzeit ist die "Helgoland" mit zwei Operationssälen und vier Fachabteilungen (Chirurgie, Radiologie, Gynäkologie und Innere Medizin) sowie 150 Krankenbetten ausgestattet. Bei der Schiffsübergabe betont Bundesgesundheitsministerin Elisabeth Schwarzhaupt (CDU), es gehe um "eine rein humanitäre, menschliche Hilfeleistung für die Zivilbevölkerung". Am 10. August 1966 sticht die "Helgoland" in See. Finanziert wird die Fahrt durch den Bund, durchgeführt wird sie vom Deutschen Roten Kreuz (DRK).

Ziel der "Helgoland" ist Saigon, wo es damals zunächst kaum Kriegsverletzte gibt. "Aber es gab dort Politiker, Zeitungen und Kameras", erinnert sich Dokumentarfilmer Hans-Dieter Grabe, der als Beobachter an Bord mitgefahren ist. Doch auch in Saigon ist bald genug zu tun. Eingeliefert werden unter anderem Minen- und Napalm-Opfer sowie von Granatsplittern zerfetzte Menschen. Wer von der "Helgoland" als Patient aufgenommen wird, ist im "besten Krankenhaus Vietnams" untergekommen, wie Ministerin Schwarzhaupt erklärt. Das medizinische Personal arbeitet unter schwersten Bedingungen. Operiert wird teilweise während der Fahrt, wenn sich die "Helgoland" vor einem drohenden Raketenangriff in Sicherheit bringen muss. Später wird das Schiff vor die südvietnamesische Hafenstadt Da Nang verlegt und dort 1972 durch ein Landkrankenhaus ersetzt.

Stand: 10.08.06