Stichtag

25. April 2006 - Vor fünf Jahren: Erster Armuts- und Reichtumsbericht veröffentlicht

In Zeiten des Wirtschaftswunders konnte Ludwig Erhard (CDU) noch schwärmen. "Im Ganzen dürfen wir heute von einem Wohlstand unseres Volkes sprechen", zog der Bundeskanzler ein Fazit seiner Wirtschaftspolitik. "Der Wohlstand schafft Grundlage und Voraussetzung zur inneren Bereicherung der Menschen, Befreiung der Menschen aus kollektiver Abhängigkeiten und die Möglichkeiten, an den geistigen und kulturellen Gütern der Welt teilzuhaben." Aber schon in den siebziger Jahren geht es mit dem Wachstum bergab. Nach Zeiten der Vollbeschäftigung gibt es erstmals eine größere Zahl von Arbeitslosen. Die Schere zwischen Arm und Reich beginnt sich zu öffnen. Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Gewerkschaften schlagen Alarm. Doch Armut in Deutschland ist für die Politik allenfalls ein Randproblem. Und über Reichtum spricht man nicht. Anders als in Schweden, wo die Steuerlisten aller Bürger einschließlich des Königs veröffentlicht werden, bleibt in Deutschland alles im Verborgenen.Am 25. April 2001 veröffentlicht die Bundesregierung den ersten Armuts- und Reichtumsbericht. Zum ersten Mal liegen damit Vergleichzahlen über die ungleiche Verteilung der Kaufkraft in Deutschland vor. "Ende 1998 erhielten 2,88 Millionen Personen Hilfe zum Lebensunterhalt. Unter den Empfängern waren Kinder unter 18 Jahren mit 1,1 Millionen die größte Gruppe", heißt es im Bericht: "Am oberen Ende der Einkommensverteilung gab es 1995 auf Grundlage der Nettoeinkommen in Deutschland rund 13.000 Einkommensmillionäre." Nicht eingerechnet sind Menschen mit millionenschwerem Privatvermögen. Erhards Wort vom Wohlstand des Volkes ist damit empirisch die Grundlage entzogen. Trotzdem diskutiert auch jetzt niemand über die Zahlen, im Gegenteil: "Neidhammelbericht" wird die Studie im Parlament genannt. Das Reden vor allem über Reichtum bleibt beinahe tabu.

2005 veröffentlicht die Bundesregierung den zweiten Armuts- und Reichtumsbericht. Er bestätigt, dass die Armen noch ärmer und die Reichen noch reicher geworden sind. Danach leben inzwischen sieben Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze.Stand: 25.04.06