Stichtag

16. Dezember 2006: Stefan Heym stirbt in Israel

1931 veröffentlicht der Schüler Helmut Flieg in einer Chemnitzer Zeitung ein Anti-Kriegs-Gedicht. Die örtlichen Nationalsozialisten sind empört, machen Druck und haben schon so viel Einfluss, dass Flieg vom Gymnasium verwiesen wird. Er macht sein Abitur in Berlin und arbeitet hier anschließend als Journalist. 1933, als Hitler an die Macht kommt, veröffentlicht Flieg nur noch unter dem Pseudonym Stefan Heym und flieht bald über Warschau nach Prag. 1935 begeht sein jüdischer Vater Selbstmord. Mehrere Familienangehörige kommen später in den Vernichtungslagern um. Bevor die deutschen Truppen in Prag einrücken, emigriert Heym weiter in die USA.1944 kehrt Heym zurück: Als amerikanischer Soldat landet er in der Normandie, ist Mitglied einer Truppe für die psychologische Kriegsführung. Im besetzten Deutschland arbeitet er als Militärjournalist am Aufbau einer freien Presse mit, kehrt dann aber in die USA zurück, wo er schon ein erfolgreicher Autor ist. 1948 erscheint sein Kriegsroman "The Crusaders", der ein Bestseller wird. Aber bald wird er in den USA der McCarthy-Ära als Kommunist angegriffen. Als der Korea-Krieg ausbricht, gibt er alle seine militärischen Auszeichnungen zurück und siedelt zunächst nach Warschau und Prag, 1952 dann nach Ost-Berlin über.Heym versteht sich in der DDR wie schon zuvor als "kritischer Marxist". Er tritt nicht in die SED ein, ist aber zeitweise Vorstandsmitglied im Schriftstellerverband. Schon mit Parteichef Walter Ulbricht bekommt er Ärger wegen seiner unangepassten Kommentare. Seit den 60er Jahren lehnt die Zensur immer mehr Bücher von Heym ab. Der wechselt von aktuellen zu scheinbar historischen Stoffen: 1972 erscheint der "König David Bericht", der im Gewand einer biblischen Geschichte die Schwierigkeit des Intellektuellen unter einem Gewaltregime schildert. 1976 organisiert Heym mit anderen den Protest gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann. 1979 rechnet er in seinem Roman "Collin" mit dem Stalinismus ab. In der DDR darf das Buch nicht erscheinen. Weil Heym es im Westen drucken lässt, wird er wegen Devisenvergehen verurteilt und aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Aber Heym bleibt im Land: geächtet, von der Stasi überwacht und doch unangreifbar, eine privilegierte Unperson. 1982 erscheint sein Roman "Ahasver", über den Mythos des "wandernden Juden", der für Heym ein in jeder Epoche unangepasster Kritiker der Verhältnisse ist. 1988 veröffentlicht Heym einen Erinnerungs-Roman unter dem Titel "Nachruf".

Aber für einen solchen ist es noch zu früh: Nach dem Fall der Mauer macht Heym eine kurze politische Karriere. Er kandidiert für die PDS, ohne in die Partei einzutreten, und gewinnt 1994 gegen Wolfgang Thierse ein Bundestagsmandat. Als Parlamentsältester eröffnet er den 13. Bundestag mit einer Rede, in der er sich nochmals zum demokratischen Sozialismus bekennt. Aus Protest gegen eine Diätenerhöhung legt er sein Mandat bald wieder nieder. Heym stirbt am 16. Dezember 2001 bei einer Vortragsreise in Israel. Er wird auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beigesetzt.

Stand: 16.12.06