Stichtag

17. Juli 2006 - Vor 60 Jahren: Nordrhein-Westfalen wird gegründet

Seit der bedingungslosen Kapitulation des Nazi-Reiches im Mai 1945 gibt es Deutschland als Staat nicht mehr. Das Land ist in Besatzungszonen der Siegermächte aufgeteilt. An Rhein, Ruhr und Weser sind dies die Briten. Sie kontrollieren damit eine industrielle Kernregion Europas, auch wenn sie weitgehend in Trümmern liegt. Über die Zukunft der Rheinschiene und des Ruhrgebiets sind die Westmächte uneins: Frankreich würde die Region gern aus einem neuen deutschen Staat heraushalten, um eine deutsche Dominanz in Europa unmöglich zu machen. Engländer und Amerikaner erinnern daran, wie die französische Besetzung im Westen schon nach dem Ersten Weltkrieg den deutschen Nationalismus schürte. Außerdem blicken sie nach Osten: Gegen die sowjetische Herrschaft in Osteuropa brauchen sie auf Dauer ein verbündetes Deutschland als "Frontstaat".Die Briten erfinden deshalb einen Kompromiss: Rheinland und Ruhrgebiet werden mit den ländlichen Regionen Westfalens zu einem neuen Land zusammen gefasst. In dem Flächenland kann man eine funktionierende Demokratie aufbauen und die Frage nach einem deutschen Gesamt-Staat zunächst einmal verschieben. Unter dem Codenamen "Operation Marriage" wird die Bindestrichland Nordrhein-Westfalen am 17. Juli 1946 in London beschlossen. Am 23. August erblickt NRW durch die alliierte Verordnung Nr. 46 das Licht der Welt. Die Region Lippe kommt erst nach zähen Verhandlungen der Regionalisten 1947 dazu.

Gar nicht begeistert sind zunächst viele im ländlichen Westfalen: Man fürchtet, die hungernden Städter durchfüttern zu müssen und gleichzeitig politisch dominiert zu werden. Deshalb ernennen die Briten mit dem Münsteraner Regierungspräsidenten Rudolf Amelunxen einen Westfalen zum ersten Ministerpräsidenten und achten auch sonst auf gerechte Ämterverteilung zwischen Rheinländern und Westfalen. Die erste Landesregierung wird von der Militärverwaltung bestimmt. Aber schon im April 1947 finden die ersten Landtagswahlen statt. Sie gewinnt Karl Arnold (CDU), der zunächst mit der SPD und sogar mit den Kommunisten eine Koalitionsregierung bildet. Die neue Demokratie auf Landesebene bleibt allerdings in ihrem Einfluss noch länger begrenzt. Das letzte Wort in Deutschland haben weiterhin die Alliierten. Noch 1949, kurz vor Gründung der Bundesrepublik, singen die Jecken im Kölner Karneval: "Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien", und meinen mit den drei Zonen nicht Rheinland, Westfalen und Lippe, sondern die Besatzungszonen von Engländern, Franzosen und Amerikanern.

Stand: 17.07.06