22. April 2006 - Vor 35 Jahren: Bummelstreik der Fluglotsen beginnt

Seit den sechziger Jahren sind die Fluglotsen unzufrieden. Als Beamte verdienen sie so viel wie ihre Kollegen im Bauamt, amerikanische Controller kommen auf mehr als das Doppelte. Bis zu fünfzehn Radarschirme muss ein deutscher Lotse unter Kontrolle halten. Die hohe Arbeitsbelastung bei vergleichsweise geringer Bezahlung führt bereits Ende der 1960er Jahre zu großer Unzufriedenheit und immer wieder zu konzertiertem „Dienst nach Vorschrift“ – wirklich streiken dürfen die Beamten ja nicht. Am 22. April 1971 ist es wieder einmal so weit: Die Kontrolleure der Lüfte treten in den "Bummelstreik". Zwar gibt es nur Verspätungen von bis zu drei Stunden, aber das ist offenbar schon zu viel für die deutsche Urlaubernation. "Arschlöcher" nennt sie ein Passagier in die Mikrophone der Reporter, "Drecksvolk" ein anderer. Da verspricht Bundesverkehrsminister Georg Leber (SPD) Verbesserungen: Zu den Olympischen Spielen in München 1972 soll die Welt im Flieger reibungslos nach Deutschland kommen können.  Nach sechs Wochen gehen die Lotsen wieder an Bord.
Als trotz Lebers Ankündigungen nichts passiert, greifen die Fluglotsen erneut zu ihrer schärfsten legalen Waffe: Sie machen Dienst nach Vorschrift. "Go Slow " lautet die Devise, danach folgt eine härtere, illegale, "Sick Out" genannte Variante: Ganze Teams melden sich geschlossen krank. Diesmal sind die Folgen krasser. An Deutschlands Flughäfen fallen 40.000 Flüge aus, fast 80.000 Maschinen starten mit Verspätung. Die Presse spricht vom "Luftkrieg der Lotsen", vom "Tower-Terror" ist die Rede. Die Bundesregierung versucht, die Streikenden mit angedrohten Disziplinarverfahren zur Arbeit zu bewegen. Anzeigen wegen Nötigung und Freiheitsberaubung werden angekündigt. Nach einem halben Jahr, im November 1973, brechen die Lotsen ihre Aktionen ab. Kurzfristig hat auch dieser zweite Streik nichts genützt. Erst allmählich ändert sich die Lage.

Heute verdienen Lotsen bereits nach der Ausbildung mehr als 4.000 Euro im Monat. Denn sie sind keine Beamte mehr. Seit 1993 ist die Überwachung des zivilen Luftraums in der Hand einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) wirbt mit dem Spruch "Wir lassen Euch nicht in der Luft hängen". Streiks wie Anfang der siebziger Jahre hat es seitdem nicht mehr gegeben.

Stand: 22.04.06