US-Truppen im Dschungel, Vietnam, 1967

Stichtag

30. April 2005 - Vor 30 Jahren: Ende des Vietnam-Krieges

"Das war der schlimmste Moment meines Lebens. Ich erkannte, dass ich Teil eines Zerrbilds geworden war. Ein Zerrbild amerikanischer Ehre", sagt CIA-Agent Frank Sneep über seine Flucht aus der südvietnamesischen Stadt Saigon am Morgen des 30. April 1975. "Es war einer der beschämendsten Augenblicke in der amerikanischen Geschichte. Und dabei zu sein als Amerikaner - das war unsäglich." Sneep gehört zu den letzten Amerikanern, die nach elf Kriegsjahren in letzter Minute ausgeflogen werden.

Das militärische Engagement der USA beginnt 1964, als der amerikanische Präsident Lyndon B. Johnson beschließt, in Nordvietnam eine Bedrohung für die Welt zu sehen. Das Land ist nach dem französischen Indochinakrieg in einen kommunistischen Norden und einen kapitalistischen Süden aufgeteilt worden. Der amerikanische Luftwaffengeneral Curtis E. LeMay verspricht, "Vietnam in die Steinzeit zurückzubomben". So wirft die amerikanische Luftwaffe allein in den ersten drei Kriegsjahren 2,5 Millionen Tonnen Bomben auf das Land - mehr als im gesamten Zweiten Weltkrieg. Bereits 1968 sind 40 Prozent der nordvietnamesischen Orte zerstört. Dennoch ist kein amerikanischer Sieg in Sicht.

Weil die Luftangriffe nicht ausreichen, wird der Kampf am Boden fortgesetzt. Über eine halbe Million amerikanischer Soldaten sind im Einsatz. Der Marschbefehl heißt: "Search and Destroy" - suchen und vernichten. In mühsamer Kleinarbeit durchkämmen die Soldaten den Dschungel. Doch der Vietcong, die nordvietnamesische kommunistische "Nationale Befreiungsfront", hat ausgeklügelte Techniken entwickelt, dem Feind zunächst auszuweichen und ihn dann zu überraschen. Als Meisterwerk der Partisanen-Taktik gilt der Ho-Chi-Minh-Pfad. Der Pfad hat fünf Längsachsen, 21 Querverbindungen und umfasst ein Wegenetz von 16.000 Kilometern.

Der "Body Count" fällt verheerend aus

Um die natürliche Tarnung des Dschungels zu zerstören, versprühen die Amerikaner per Flugzeug die hochgiftige Chemikalie "Agent Orange". Es werden Waldflächen in der Größe von Baden-Württemberg entlaubt, dann mit Napalm verbrannt. Wer den Einsatz dieser Kampfmittel überlebt, hat ein großes Risiko, an Leberkrebs, Epilepsie und schweren Allergien zu erkranken. Der "Body Count" dieses Krieges, das Zählen der Toten, fällt für die Nordvietnamesen verheerend aus: 1,1 Millionen Soldaten und über zwei Millionen Zivilisten sterben, 30.000 werden vermisst. Zwei Millionen Menschen überleben nur behindert. Später kommen 500.000 missgebildete Kinder zu Welt - infolge der chemischer Kampfstoffe. Die US-Army beklagt den Tod von rund 58.000 "Freiheitskämpfern". Viele amerikanische Soldaten sind dem Krieg auch seelisch nicht gewachsen. Es wird geschätzt, dass etwa zehn Prozent der GIs heroinabhängig waren.

Trotz ihrer hohen Verluste halten die Nordvietnamesen nicht nur Stand, sie greifen auch an. Die so genannte Tet-Offensive Ende Januar 1968 wird zum Waterloo für die Amerikaner - und sie führt zu einer neuen Front in der Heimat: 60 Prozent der Amerikaner verurteilen den Krieg nun als unmoralisch. Der neue Präsident Richard Nixon entschließt sich, die USA aus dem Krieg zurückzuziehen. 1972 werden die Truppen auf 78.000 Mann reduziert. Im Gegenzug werden die südvietnamesischen Streitkräfte zu einer der modernsten Armeen der Welt aufgerüstet. Doch den Südvietnamesen fehlt die Überzeugung, diesen amerikanischen Krieg gegen ihre Landsleute aus dem Norden zu führen. Die Front verschiebt sich immer weiter nach Süden. Am 30. April 1975 erklärt der südvietnamesische Staatspräsident Duong Van Minh in Saigon seine Kapitulation.

Stand: 30.04.05