Stichtag

08. November 2005 - Vor 20 Jahren: Volkszählungsgesetz verkündet

Eigentlich soll routinemäßig 1981 gezählt werden - aber gegen das Datensammeln formiert sich Widerstand. Die technische Datenverarbeitung hat sich rasant entwickellt und die Angst vieler Bürger vor einem Orwellschen Überwachungsstaat auch. "1984" ist schließlich nicht mehr lang hin. Laut Umfragen sind 30 Prozent der Bundesbürger zu einem Zählungsboykott entschlossen, und vor dem Bundesverfassungsgericht liegt eine Klage gegen das Zählungsgesetz vor. So wird die Zählung abgesagt und 1983 höchstrichterlich gekippt: Die Karlsruher Verfassungsrichter verlangen gründliche Nachbesserungen zum Datenschutz. Die "informationelle Selbstbestimmung" wird als Bestandteil des Grundrechts hervorgehoben.Die Regierung, inzwischen von CDU und FDP gebildet, braucht lange, um das Volkszählungsurteil in ein neues Gesetz zu gießen. Schließlich wird es von fast allen Parteien des Bundestages verabschiedet und am 8. November 1985 verkündet. "Mit dem neuen Gesetz sind sämtliche Zweifel ausgeräumt, die Anonymität wird gewahrt", sagt Werner Broll für die CDU. Nur die Grünen stimmen gegen das Gesetz und engagieren sich in der Bürgerbewegung, die auch die neue Zählung verhindern will. "Wir fürchten eine Verdatung der Gesamtbevölkerung, auf deren Grundlage eine soziale Kontrolle angestrebt wird", sagt der grüne Abgeordnete Christian Ströbele vor dem Bundestag. Die Volkszählung findet dennoch im Mai 1987 statt, begleitet von vielen Demonstrationen und Protestaktionen.

Eine so zugespitzte und zugleich breite politische Diskussion um den Datenschutz hat es seither nicht mehr gegeben. Politisch flammt sie bei Themen der Sicherheitspolitik - wie der Rasterfahndung, der Videoüberwachung im öffentlichen Raum  oder den biometrischen Daten im Pass - wieder auf. Datenschützer warnen heute aber vor allem vor der ungehemmten Datensammlung, die Bürger quasi freiwillig hinnehmen: beim Einkaufen, bei Preisausschreiben, beim Chatten und Online-Bestellen.


Stand: 08.11.05