Stichtag

06. April 2005 - Vor 5 Jahren: Craig Venter gibt Entschlüsselung des menschlichen Genoms bekannnt

Es klingt nach einer wissenschaftlichen Sensation, was die Nachrichten am 6. April 2000 verbreiten: "Genforscher aus den USA geben bekannt, sie hätten das menschliche Erbgut vollständig entschlüsselt." Die Nachricht weckt Hoffnungen auf die Heilung genetisch bedingter Krankheiten, aber auch Ängste vor dem restlos manipulierbaren Menschen. Beginnt mit diesem Tag - so oder so - die Epoche einer "Brave New World", einer Welt der Menschenzüchtung?Am 6. April geht es zunächst um den Gewinn eines Wettlaufs. Seit Jahren schon arbeitet das internationale "Human Genom Projekt" an der Entschlüsselung der menschlichen Erbanlagen. Die Forschung wird mit staatlichen Geldern gefördert. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Wissenschaftler im Internet, jedem zugänglich. 1992 trennt sich der amerikanische Biochemiker Craig Venter von der Forschungsgruppe und arbeitet auf eigene Faust nach einer von ihm entwickelten Methode weiter. 1998 gründet er die Firma "Celera Genomics" in San Francisco. Mit ihr will er sich wirtschaftlich vielversprechendes Wissen über Gene sichern. Entzifferten Gensequenzen gibt er Namen wie "Release 1.0" und sichert sich amerikanische Patente, als seien Gene Erfindungen. Manche sehen in ihm den Bill Gates des anbrechenden Gen-Zeitalters. Im April 2000 scheint er diese Erwartung zu bestätigen. Allerdings gibt das öffentliche Genomprojekt im Juni 2000 bekannt, es sei nun auch so weit wie Venter.

Bei genauerem Hinsehen verblasst die Sensationsmeldung ein wenig: Venters Firma gibt bekannt, etwa 99 Prozent der menschlichen Erbsubstanz isoliert und seine Bausteine erfasst zu haben. Diese Bausteine der Gene sind vier Basen: Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin (abgekürzt: A, C, G, T). Was die Forscher nun kennen, ist die Reihung dieser vier Stoffe, eine insgesamt etwa drei Milliarden Buchstaben lange Kette: GAGGATGTGGCATTAC... Die Genetiker haben also ein Alphabet entziffert, sie können die Schrift lesen - aber nicht verstehen. "Wir beschäftigen uns mit einer immer noch sehr, sehr fremden Sprache, von der wir mittlerweile alle Buchstaben kennen. Wir sind noch weit entfernt davon, diese Sprache zu verstehen", sagt Matthias Platzer vom Institut für molekulare Biotechnologie in Jena. Er ist Mitglied beim "Human Genom Projekt" und rechnet damit, dass es noch dutzende, wenn nicht hunderte von Jahren dauern wird, um das menschliche Genom wirklich zu verstehen - eine enttäuschende, vielleicht aber auch beruhigende Auskunft.


Stand: 06.04.05