Stichtag

25. April 2005 - Vor 10 Jahren: Der erste Castor-Behälter erreicht Gorleben

Anfangs ist der Sprecher der Pressestelle "Castor" in der Polizeizentrale Lüneburg noch optimistisch. "Der Zug läuft", verkündet er stolz. "Das ist ein Erfolg für uns." Acht Stunden später ist von "erheblicher Gewaltbereitschaft" und "massiven Einsätzen" gegen Demonstranten die Rede. Der Stein des Anstoßes verbirgt sich unter einer blauen Plastikplane: Der Castor (Cask for Storage and Transport of Radioactive Material). In seinem Innern lagern neun verbrauchte Brennstäbe aus dem Kernkraftwerk Phillipsburg. Im Schritttempo nähert sich das 125 Tonnen schwere Ungetüm mit der gefährlichen Fracht seinem Ziel nahe Gorleben in Niedersachsen: zuerst per Bahn, später dann per Lkw. Immer wieder werfen sich Menschen in den Weg und müssen weggetragen werden. Steine fliegen. Die Polizei geht mit Gummiknüppeln und Wasserwerfern gegen Demonstranten vor.Gorleben ist im Ausnahmezustand. Die Schulen sind geschlossen, Bauern haben sich auf Treckern zum Protestmarsch aufgemacht. Fast 20 Jahre hat die 600-Seelen-Gemeinde im Kreis Lüchow-Dannenberg dagegen angekämpft, zum Entsorgungszentrum der Republik für radioaktiv verseuchten Müll zu werden. Am Ende hat es nichts genützt. Unter dem Protest von 1.500 Anwohnern, Umweltschützern und Autonomen erreicht der erste Castor-Behälter am 25. April 1995 seinen Bestimmungsort. 7.600 Beamte von Polizei und Bundesgrenzschutz haben dafür gesorgt. Der Castor sei ein notwendiges Übel, betont Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) später. Opposition und Umweltschützer sprechen von einer "ungeheueren Provokation zum neunten Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl". Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) wird die Kosten für die Sicherung des Atomtransports auf umgerechnet 14 Millionen Euro beziffern.

"Wir werden auch den nächsten Castor-Transport so teuer machen", prophezeit ein Bauer den Heerscharen angereister Journalisten in Gorleben. "Und den nächsten." Seither hatten die Demonstranten noch sieben Mal Gelegenheit dazu, zuletzt im November 2004. Bis heute lagern die Behälter nicht in einem Salzstock, wie ursprünglich geplant, sondern in einer Industriehalle über Tage. Es ist noch nicht geklärt, ob der Stollen als Endlager überhaupt tauglich ist.Stand: 25.04.05