Ein jüdischer Geistlicher trägt eine Kippa, Köln

19. Juli 1950 - "Zentralrat der Juden in Deutschland" gegründet

Stand: 19.07.2020, 00:00 Uhr

Im Land der Täter bleiben? Nach dem Zweiten Weltkrieg fragen sich Juden, die die Schoah überlebt haben, wie sie sich zu Deutschland verhalten wollen. Viele denken ans Auswandern. Warum also in Deutschland noch eine jüdische Organisation aufbauen?

Das verzögert einen deutschlandweiten Zusammenschluss der Holocaust-Überlebenden. Zwar entstehen in allen vier Besatzungszonen Komitees der von den Alliierten befreiten Juden.

Als Übergang gedacht

Aber noch im Frühjahr 1950 heißt es in der allgemeinen Wochenzeitung der Juden in Deutschland: "Als einzige Gemeinschaft stehen wir heute dort, wo wir 1945 standen. Flüchtlinge und Heimatvertriebene, ehemalige Berufssoldaten, alle verfügen heute über bundeseinheitliche und in ihrer Schlagkraft nicht zu unterschätzende Organisation. Wir nicht!"

Nach heftigen internen Diskussionen ist es soweit: Am 19. Juli 1950 treffen sich Delegierte aus den vier Besatzungszonen in einer Privatwohnung in Frankfurt am Main und gründen den "Zentralrat der Juden in Deutschland". Er soll bis zur Ausreise die gemeinsamen Interessen vertreten.

Zentralrat der Juden gegründet (am 19.07.1950)

WDR 2 Stichtag 19.07.2020 04:15 Min. Verfügbar bis 17.07.2030 WDR 2


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Vom Provisorium zur Lebensperspektive

Lebten 1933 noch rund 500.000 Juden in Deutschland, sind es fünf Jahre nach dem Holocaust nur noch rund 15.000. In den Nachkriegsjahren stoßen Heimkehrer aus dem Exil dazu sowie rund 200.000 Juden aus Osteuropa, sogenannte Displaced Persons.

Für viele von ihnen ist Deutschland nur eine Zwischenstation auf der Ausreise nach Israel. Die jüdischen Gemeinden in Deutschland verstehen sich damals als "Gemeinden in Abwicklung". Das ändert sich in den folgenden Jahrzehnten: Aus dem Provisorium wird für manche eine Lebensperspektive.

Staatsvertrag regelt Zusammenarbeit

2003 unterzeichnen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Zentralratspräsident Paul Spiegel einen Staatsvertrag, der die Zusammenarbeit zwischen den jüdischen Gemeinden und der Bundesrepublik erstmals rechtlich regelt.

Der Zentralrat ist heute nicht nur die Dachorganisation für die jüdischen Gemeinden. Er sieht seine Aufgabe auch darin, zu mahnen und die Demokratie zu schützen. Der amtierende Zentralratspräsident Josef Schuster geht davon aus, dass 20 Prozent der deutschen Bevölkerung antijüdische Ressentiments haben.

Zwar sei die "Anzahl der Menschen mit antisemitischem Gedankengut" in den vergangenen 30 Jahren wohl nicht größer geworden, so Schuster. "Ich habe aber das Gefühl - und dafür mache ich auch die AfD verantwortlich -, dass man sehr wohl bereit ist, diese Gedanken, die man hat, auch wieder zu artikulieren."

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