"Wartburg", der in dieser Ausfü¸hrung bei der Volkspolizei der DDR im Einsatz war (Aufnahme von 2009)

10. April 1991 - Der letzte Wartburg läuft vom Band

Neben dem Trabant wird in der DDR noch ein anderer Pkw hergestellt: der Wartburg. Der Wagen wird ab Oktober 1955 im thüringischen Eisenach produziert und ist nach dem Wahrzeichen der Stadt benannt. Dort hatte sich einst der Reformator Martin Luther versteckt, als er zum Ketzer erklärt wurde. Das Auto ist nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch im Ausland unterwegs. So berichtet die SED-Zeitung "Neues Deutschland" in propagandistischem Tonfall: "In der Rue du 26. Juillet in Kairo parkt vor dem Hotel Carlton ein Wartburg 311. Die Ägypter bleiben stehen, betrachten den formschönen Wagen und wundern sich über das eigenartige, ihnen unbekannte Kennzeichen."

Bereits im ersten Herstellungsjahr verkauft die DDR den Wartburg auch ins Ausland. "Eine der größten Überraschungen für das westliche Ausland ist der stürmische Fortschritt unserer Kraftfahrzeugindustrie", jubelt die Zeitung der DDR-CDU, "Neue Zeit", in einem Bericht von der Leipziger Messe. "Von dem überaus begehrten Wartburg wurden am neunten Messetag abermals 1.100 Stück nach Belgien, Norwegen und Österreich verkauft." Es handelt sich dabei um den Wartburg 311, der mit einem Dreizylinder-Zweitaktmotor ausgestattet ist und mit 45 PS eine Höchstgeschwindigkeit von 125 Stundenkilometer erreicht.

Produktionsstätte mit Tradition

Jährlich werden 32.000 Fahrzeuge gebaut, 19.000 davon gehen ins Ausland. Zwei Jahre lang importieren sogar die Vereinigten Staaten den Wartburg 311. Bis 1965 werden 113.000 Autos in über 50 Länder exportiert. In der DDR selbst werden die verbleibenden Fahrzeuge zunächst an Funktionäre, Spitzensportler und Künstler vergeben. Für Normalbürger können zwischen Bestellung und Auslieferung schon mal zwölf Jahre liegen. In den Kleinanzeigen der Zeitungen werden nicht nur komplette Gebrauchtwagen, sondern auch Ersatzteile gesucht. Die Preise dafür werden durch die langen Wartezeiten bei Neuwagen nach oben getrieben.

Das VEB Automobilwerk Eisenach ist eine Produktionsstätte mit Tradition. 1896 wird sie als Fahrzeugfabrik Eisenach AG gegründet, zwei Jahre später wird der erste Wartburg-Motorwagen präsentiert - eine zweisitzige Pferdekutsche ohne Deichsel, 40 Stundenkilometer schnell. Ab 1904 werden Fahrzeuge mit der neuen Markenbezeichnung Dixi produziert. 1928 kauft die Bayerische Motorenwerke München AG die Dixi-Fabrik. Damit steigt BMW in die Autoherstellung ein. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird die Produktion von BMW-Modellen in Eisenach durch eine sowjetische Aktiengesellschaft wieder aufgenommen. 1952 entsteht daraus ein Volkseigener Betrieb.

Britisches Importverbot

Der Erfolg des Wartburg im westlichen Ausland hält nicht an. Großbritannien verhängt ein Importverbot, nachdem dort 5.000 Fahrzeuge unterwegs sind. Die offizielle Begründung dafür sind die Abgase des Zweitaktmotors, tatsächlich spielt aber auch der Schutz der britischen Automobilindustrie vor Konkurrenz eine Rolle. In den Jahren 1966 bis 1985 erreicht der Wartburg 353 mit einer Million Exemplaren die größte Stückzahl, die in Eisenach gebaut wird. 1988 startet der Bau des Wartburg 1.3, der mit einem Volkswagenmotor ausgestattet wird.

Nach dem Mauerfall 1989 geht das Interesse an einem Wartburg rapide zurück. Die Konkurrenz aus dem Ausland überschwemmt die untergehende DDR. Das Werk in Eisenach wird von der Treuhandgesellschaft verkauft, die Produktion eingestellt. Am 10. April 1991 rollte der letzte Wartburg vom Band - rot lackiert und von den Arbeitern mit einem Trauerflor versehen.

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