Äskulapstab - Logo des Hartmannbundes

13. September 1900 - Vorläufer des Hartmannbunds gegründet

Stand: 13.09.2020, 00:00 Uhr

Zur Jahrhundertwende sind Ärzte im Deutschen Reich weder gesellschaftlich anerkannt noch wirtschaftlich besser gestellt. Die wenige Jahre zuvor von Bismarck eingeführten Krankenkassen verfügen aufgrund ihrer vielen Mitglieder über eine enorme Macht und können den niedergelassenen Medizinern die Honorare diktieren.

"Wir haben als Folge davon hier in Berlin Fälle, dass auf die einzelne Konsultation der Arzt eine Entschädigung erhielt, die für einen Tagelöhner sogar zu gering ist", sagte August Bebel, SPD-Vorsitzender zu Zeiten des Deutschen Kaiserreiches. Der Begriff des "Ärzte-Proletariats" macht die Runde.

Arztbesuch für wenige Pfennige

Eine ungerechte Situation, findet auch Hermann Hartmann. Als "Praktischer Arzt und Geburtshelfer" weiß er um die Nöte seines Standes und beklagt, dass die "Bezeichnung Honorare oft zu euphemistisch klingt".

Für die Behandlung eines Patienten zahlen die Krankenkassen häufig nur Pfennigbeträge. Dafür erhalten Hausärzte von reichen Bürgern einen Honorar-Ausgleich.

Immer mehr Ärzte

Doch durch den Studienboom Ende des 19. Jahrhunderts lassen sich immer mehr Ärzte nieder, die Zahl der Privatpatienten pro Praxis sinkt. Lokale Streiks und Proteste bringen nur mäßigen Erfolg. Hartmann ist überzeugt, dass die Ärzte – wie die Gewerkschaften der Arbeiter zuvor – nur als große Einheit die Situation verbessern können.

"Der Einzelne ist nichts, alle zusammen sind wir eine Macht", schreibt der Leipziger Arzt im Juli 1900 in einem offenen Brief an seine Kollegen. "Lasst uns eine feste, zielbewusste Organisation schaffen zum Zwecke einer energischen Vertretung unserer aufs Äußerste gefährdeten Interessen!"

Vorläufer des Hartmannbundes gegründet (am 13.09.1900)

WDR 2 Stichtag 13.09.2020 04:16 Min. Verfügbar bis 11.09.2030 WDR 2


Download

Verhandlungspartner der Krankenkassen auf Augenhöhe

Am 13. September 1900 ist es soweit: Mit 20 anderen Ärzten gründet Hermann Hartmann den "Schutzverband der Ärzte Deutschlands zur Wahrung ihrer Standesinteressen", der nach seinem Tod 1923 seinen Namen trägt.

Der Verband kämpft von Beginn an für eine bessere Bezahlung sowie für die freie Arztwahl – teilweise mit Streiks und Verweigerung. Im Jahr 1932 schafft es der Hartmannbund, mit der Kassenärztlichen Vereinigung die Selbstverwaltung der Ärzte zu installieren. Nun stehen die Mediziner den Krankenkassen auf Augenhöhe gegenüber.

Von den Nationalsozialisten aufgelöst, wird der Hartmannbund 1949 als Vertretung der niedergelassenen Ärzte neu gegründet und zählt heute 70.000 Mitglieder. Der zweite große Ärzteverband, der Marburger Bund, vertritt vor allem die angestellten Krankenhausärzte.

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 13. September 2020 ebenfalls an den Vorläufer des Hartmannbunds. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

Stichtag am 14.09.2020: Vor 50 Jahren: Konferenz über die Kolonie Spanisch-Sahara beginnt