Menschen stehen unter einem Wasserfall

4. April 2003 - Voodoo wird in Haiti als Religion anerkannt

Stand: 04.04.2018, 00:00 Uhr

Bei Voodoo in Haiti denkt jeder Westeuropäer zunächst an Trommeln, magische Rituale und blutende Tiere mit abgeschlagenen Köpfen. Das verdanken wir vor allem den Horrorfilmen Hollywoods. Und dem US-amerikanischen Journalisten William Buehler Seabrook, von dem sich die meisten Regisseure ihre Vorurteile abgeschaut haben.

"Das Mädchen kniete, Auge in Auge mit dem Ziehgenbock", schreibt Seabrook 1929 in seinem Buch "Die magische Insel", als Haiti von den Amerikanern besetzt ist. "Die Hände des Priesters bewegten sich unaufhörlich über ihren Köpfen. Ich konnte die großen, weit geöffneten blauen Augen der Ziege sehen und die großen, schwarzen, starrenden Augen des Mädchens. Und ich hätte schwören mögen, dass die schwarzen Augen sich langsam in jene des Tieres verwandelten, während die menschliche Seele aus den blauen Augen blickte."

Voodoo wird in Haiti als Religion anerkannt (am 04.04.2003)

WDR 2 Stichtag 04.04.2018 04:16 Min. Verfügbar bis 01.04.2028 WDR 2


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Kontakt durch Geisterwesen

Tatsächlich aber gilt Voodoo als richtige Religion, zu der allerdings auch ein Schuss blutige Schadensmagie gehört. Ursprünglich stammt sie aus Afrika. "Voodoo" heißt "Gott" oder "Geister". Es ist eine Welt, die von teils wohltätigen, teils zerstörerischen Geisterwesen, den "Loa", bevölkert ist. Sie dienen den Gläubigen als Mittler zum Gott "Bondyè", der zu weit entfernt ist, um von den Menschen direkt erreicht zu werden. Trance ist das Mittel, um mit den "Loa" in Kontakt zu treten.

Mit den Sklaven erreicht Voodoo auch die Neue Welt. Besonders in Haiti fasst sie Fuß. Hier ist die Religion ein Akt des Widerstands. Den gewaltsam vordringenden Katholizismus integrieren viele Gläubige kreativ in ihr eigenes Weltbild. Heilige werden zu Geisterwesen. "90 Prozent der Haitianer sind Katholiken", heißt ein geflügeltes Wort im Inselstaat. "Aber 100 Prozent glauben an Voodoo."

"Teil unserer nationalen Identität"

Die französischen Kolonialherren und die katholische Kirche versuchen über Jahrhunderte, Voodoo zu verdrängen – vergeblich. Dann verleiht ausgerechnet ein geweihter katholischer Priester, der Präsident Jean-Bertrand Aristide, Voodoo per Dekret in Haiti den Status einer offiziellen Religion. Am 4. April 2003 ist es soweit. "Als Religion unserer Vorfahren ist Voodoo ein wesentlicher Teil unserer nationalen Identität", lautet seine schlüssige Begründung.   

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