15. August 1961 - Volkspolizist Conrad Schumann flüchtet nach West-Berlin

Stand: 15.08.2016, 00:00 Uhr

15. August 1961 - zwei Tage zuvor hat die DDR alle Zugänge zwischen Ost- und West-Berlin gesperrt. Stacheldraht-Barrieren durchziehen die Stadt, sie werden allmählich durch eine Mauer aus Betonplatten und Hohlbausteinen ersetzt. Einer der Volkspolizisten, die die Grenze bewachen und mögliche Flüchtlinge festnehmen sollen, ist der 19-jährige Conrad Schumann. Er steht in der Bernauer Straße, Ecke Ruppiner Straße, wo der sowjetische Sektor auf den französischen trifft. Dort versperrt noch Stacheldraht den Durchgang.

"Ich wollte nicht auf Menschen schießen"

Auf der Westseite drängeln sich Journalisten und Fotografen, um die Abriegelung zu dokumentieren. Unter ihnen ist der 19-jährige Peter Leibing, Volontär bei einer Hamburger Fotoagentur. Er beobachtet Schumann, der nervös wirkt und eine Zigarette nach der anderen raucht. "Der hüpft gleich rüber", vermuten Passanten. Leibings stellt seine Kamera auf den Stacheldraht scharf und wartet. Nach etwa zwei Stunden ist es soweit: Gegen 16 Uhr rennt Schumann los - in seiner Uniform, mit Stahlhelm auf dem Kopf. Im Sprung streift er seine Waffe ab und lässt sie fallen. In diesem Augenblick drückt Fotograf Leibing auf den Auslöser. Seine Aufnahme geht um die Welt.

Schumann ist zu diesem Zeitpunkt seit fünf Monaten bei der Volkspolizei der DDR. "Am 12. zum 13. August in der Nacht haben wir den Befehl bekommen in der Kaserne, die Ostsektorengrenze zu bewachen", erinnert er sich kurz nach dem Mauerfall im November 1989 in einem Telefoninterview mit dem WDR. "Das hat sich dann in den zwei Tagen und aus dem Stacheldraht heraus entwickelt, dass ich mich entschlossen habe, die DDR zu verlassen. Ich wollte da nicht auf Menschen schießen, wollte niemanden einsperren und wollte selber auch nicht eingesperrt sein." Dass er mit einem Sprung über den Stacheldraht flüchte, habe er aber erst am 15. August nach Wachbeginn entschieden.

Zeitlebens Angst vor der Stasi

Schumann, der in Sachsen Schäfer gelernt hatte, ergreift in der Bundesrepublik einen neuen Beruf. Er wird Maschinenführer bei Audi in Ingolstadt. Er heiratet und wird Vater. Seinen Sprung soll Schumann nie bereut haben. Zeitlebens hat er jedoch Angst vor der Verfolgung durch die Stasi. Die Angst hört auch nach dem Mauerfall nicht auf. Am 20. Juli 1998 nimmt sich Conrad Schumann in einem Schuppen hinter seinem Haus das Leben.

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