Walter Jens 2003 in seiner Tübinger Wohnung

9. Juni 2013 - Todestag des Philologen Walter Jens

Stand: 09.06.2018, 00:00 Uhr

Walter Jens ist Fussballfan, wie viele. Schon als Kind kickt er in Hamburg-Eimsbüttel, wo er 1923 geboren wird. "Ich war Torwart. Beim Hinwerfen zur Linken, da hatte ich doch meine Schwächen", sagt er. Noch wichtiger als Fußball ist die Literatur. "Wenn ich sagte, Mutter ich habe 50 Pfennig, was mache ich damit, schaute sie mich mit ihren großen Augen an und sagte: ein Reclam-Heft, was denn sonst?"

Walter Jens, Philologe (Todestag 09.06.2013)

WDR 2 Stichtag 09.06.2018 03:59 Min. Verfügbar bis 06.06.2028 WDR 2


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Im Elternhaus, der Vater ist Bankdirektor, die Mutter Lehrerin, werden einige in der NS-Zeit verbotene Schriftsteller gelesen: Kurt Tucholsky, Heinrich Mann und vor allem Thomas Mann. "Wenn man vorankommen will, hat man eines zuallererst zu tun: zu lesen, zu lernen", sagt Jens.

Walter Jens spricht zu Prostituierten zum Brandschutz

Die Familie steht dem Hitler-Regime kritisch gegenüber. Dennoch wird Walter Jens mit 19 Jahren als Mitglied der NSDAP geführt.

Soldat im Weltkrieg wird er wegen einer Asthmaerkrankung nicht. Ausgerechnet in Hamburg Sankt Pauli soll er während des Krieges Reden über Brandschutzvorschriften halten. "Eine geschlossene Gesellschaft von 42 Hamburger Prostituierten habe ich dazu gebracht, sich mit der Materie interessiert zu beschäftigen, seitdem kann mich als Redner nichts mehr erschüttern", erzählt Walter Jens.

Jahrzehntelang einziger Professor für Rhetorik

Sein Redetalent macht er später zur Kunst und Wissenschaft: Er wird Deutschlands erster und jahrzehntelang einziger Professor für Rhetorik, an der Universität Tübingen.

Dort begegnet er der Literaturstudentin Inge, seiner späteren Frau. Sie wohnen im selben Haus. "So lernten wir uns kennen, er oben unter dem Dach, ich unten in der Wohnung", erinnert sich Inge Jens.

Walter Jens mischt sich ein

Als Intellektueller, der sich in viele Debatten einmischt, ist Walter Jens in Deutschland präsent. Er demonstriert gegen US-Raketen, tritt als Fernsehkritiker auf, übersetzt das Johannes-Evangelium (1993), schreibt mit Inge Jens den Bestseller "Frau Thomas Mann" (2003).

Danach wird es still um ihn: Walter Jens erkrankt an Demenz. Inge Jens wirbt um Verständnis für Demenzkranke und ihre Familien. "Ich habe durch die Krankheit meines Mannes einen Gesprächspartner, mit dem ich intensivste, leben-prägende Gespräche geführt habe, verloren. Er ist noch da, aber er ist kein Partner mehr", sagt sie.

Ein Bekenntnis ganz im Sinne von Walter Jens, der am 9. Juni 2013 mit 90 Jahren in Tübingen stirbt.

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