Theodor W. Adorno

6. August 1969 - Todestag von Theodor W. Adorno

Stand: 06.08.2019, 00:00 Uhr

Von Zermatt aus fährt Theodor W. Adorno 1969 in den Schweizer Bergen immer höher hinauf. "Die Luft war wohl zu dünn für das schwache Herz", sagt Dirk Braunstein vom Frankfurter Institut für Sozialforschung, wo Adorno lange Jahre wirkte. Der 65-jährige Adorno, Professor für Philosophie und Soziologie, stirbt am 6. August 1969 an einem Herzinfarkt.

Später schreiben manche, Theodor W. Adorno sei an gebrochenem Herzen gestorben. Tatsächlich sagte er am Tag vor dem Urlaub gegen einen seiner begabtesten Studenten aus. Adorno, einer der liberalsten Professoren Frankfurts, ein Gegner von Polizei- und Überwachungsstaat, hatte seine eigenen Studenten angezeigt. Im Januar 1969 wollten sie das Institut für Sozialforschung, seinen Elfenbeinturm, stürmen.

Theodor W. Adorno, Philosoph (Todestag 06.08.1969)

WDR 2 Stichtag 06.08.2019 04:15 Min. Verfügbar bis 03.08.2029 WDR 2


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Adorno: "Es gibt kein richtiges Leben im falschen"

Theodor W. Adorno, geboren 1903 in Frankfurt, ist ein Überflieger: Klassenbester, Abitur mit 17 Jahren, Promotion in Philosophie mit 21 Jahren. Als junger Intellektueller wird er kritisch beäugt von jenen, die "keinen richtigen Satz zustande brachten, aber jeden von mir zu lang fanden". Diese Kritik wird sich durch sein Leben ziehen. "Sprache ist für ihn das Medium nicht nur des Ausdrucks, sondern auch des Denkens", sagt Braunstein.

Gemeinsam mit seinem Freund Max Horkheimer arbeitet er an der "Dialektik der Aufklärung" (1947), seinem bekanntesten Werk und Grundlage der Kritischen Theorie. Darin stellen beide den Vernunftbegriff radikal in Frage: Wie konnten Aufklärung und Vernunft in Weltkriege und Diktaturen wie ein Nazi-Deutschland münden?

Adorno glaubt: Gesellschaften können von ihrer ganzen Grundstruktur her falsch aufgebaut sein. "Es gibt kein richtiges Leben im falschen" – Adornos berühmtester Satz – findet sich in Minima Moralia (1951), einer Sammlung von Essays.

Adorno bekommt einen aufblasbaren Teddy

Als er 1949 aus dem US-Exil in seine Heimatstadt Frankfurt zurückkehrt, gilt er bald als intellektueller Wegbereiter der Studentenrevolte. Doch als 1968 die ersten Steine fliegen, distanziert er sich. "Ich habe zwar ein theoretisches Modell aufgestellt, habe aber nicht ahnen können, dass es Leute mit Molotow-Cocktails verwirklichen wollen", sagt er schockiert.

Dirk Braunstein erinnert an Adornos letzte Vorlesung im April 1969. "Die wurde gesprengt, indem drei als Hippie-Mädchen aufgemachte Studentinnen Adorno einen aufblasbaren Teddy – sein Spitzname war ja Teddy – überreicht haben und dabei ihre Busen entblößt haben."

Adorno nimmt sich all das zu Herzen. "Es hat ihn von den Studenten entfremdet. Das hat ihm nicht gut getan", sagt Braunstein.

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