Theo van Gogh

23. Juli 1957 - Theo van Gogh wird geboren

Stand: 23.07.2017, 00:00 Uhr

Der am 23. Juli 1957 in Den Haag geborene Theo van Gogh, Urgroßneffe des Malers Vincent van Gogh, ist umstritten. Er gilt als Berufsprovokateur. Sein Jurastudium bricht er ab und will Filmregisseur werden. Doch bei der Niederländischen Filmakademie wird er zwei Mal abgewiesen.

1982 dreht er als Autodidakt seinen ersten Kurzfilm "Luger" über einen faschistischen Psychopathen. Bei den niederländischen Filmfestspielen sorgt der Schwarz-Weiß-Film für Aufregung. Van Gogh steckt eine Katze in eine Waschmaschine und einen Pistolenlauf in eine Vagina. Ohne erkennbaren Grund. Aber: Es schockiert.

Witze über den Holocaust

Grenzen gibt es für Theo van Gogh nicht. Jesus verspottet er als "der vergammelte Fisch von Nazareth". Über den Holocaust macht er Witze. Seine Karikatur "Zwei kopulierende gelbe Sterne in der Gaskammer" bringt ihm eine Klage wegen Antisemitismus ein. Den Propheten Mohammed bezeichnet er als "Ziegenficker Allahs".

Im Vorspann seiner Fernsehsendung "Hier ist es furchtbar gemütlich" tobt er in einer Zwangsjacke durch eine Gummizelle. Van Gogh liebt es, den Quartalsirren zu geben. Sein Symbol ist der Kaktus. Dennoch ist es ihm ernst mit seinem Klamauk.

Theo van Gogh, holländischer Filmemacher (Geburtstag 23.07.1957)

WDR 2 Stichtag 23.07.2017 04:16 Min. Verfügbar bis 21.07.2027 WDR 2


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"Argumentieren bringt nichts"

Sein Freund, der Zeitungskolumnist Theodor Holman, bezeichnet Theo van Gogh als "Hofnarr", als "eine ganz warme, kreative, autistische Persönlichkeit". Er habe nicht von ungefähr Filmregisseur werden wollen. "Theo begriff nichts vom normalen Leben, von menschlichen Beziehungen." Aber "als König seiner selbst gemachten Filmwelt", in der sich Menschen "wie Marionetten" hätten benehmen müssen, sei er am glücklichsten gewesen.

"Wenn er von etwas getrieben wurde, dann von seinem Kampf gegen Heuchelei", sagt Holman. "Er fand, dass er vor allem die Menschen in höheren Positionen beleidigen durfte. Argumentieren, meinte er, bringt nichts."

"Terrorist der Meinungsfreiheit"

Für den Schriftsteller Leon de Winter hingegen ist Theo van Gogh ein "Terrorist der Meinungsfreiheit". Der Filmemacher sei ein verabscheuungswürdiger Narzisst gewesen. "Er war ein schwergewichtiges Großmaul, dessen Familienname Erwartungen weckte und Frustrationen hervorrief."

Auf der Straße in Amsterdam ermordet

Amsterdam, 2. November 2004: Der Filmemacher Theo van Gogh ist am Morgen seines Todestages mit dem Fahrrad unterwegs, als ein Unbekannter auf ihn schießt. Als der 47-Jährige am Boden liegt, sticht der Attentäter auf ihn ein und versucht, ihn zu enthaupten. Bevor er flüchtet, rammt er seinem Opfer noch einen Dolch in die Brust, daran ein Zettel: "Der Islam wird mit dem Blut der Märtyrer die Welt erobern."

Noch am selben Abend versammeln sich in Amsterdam Zehntausende. In den Tagen danach brennen in den Niederlanden Moscheen und islamische Schulen. "Das hat polarisiert", sagt Abdelkader Benali, Schriftsteller mit marokkanischen Wurzeln, der in der Nähe des Tatortes wohnt. Das habe die Debatte völlig vergiftet. "Wir waren plötzlich mitten in einem Zusammenprall der Kulturen."

Der Mörder von Theo van Gogh wird kurz nach der Tat gefasst und zu lebenslanger Haft verurteilt. Es ist ein radikalisierter Niederländer mit marokkanischen Wurzeln, der sich durch dessen elfminütigen Kurzfilm "Submission" ("Unterwerfung") provoziert fühlt. Darin ist ein nackter, nur spärlich verhüllter Frauenkörper zu sehen, die Haut bedeckt mit Striemen und Koranversen.

Der Provokateur

Theo van Gogh war ein Enfant terrible, am 23. Juli 2017 wäre er 60 Jahre alt geworden. Der niederländische Filme- und Meinungsmacher liebte es auszuteilen. Gegen Muslime, Christen, Juden. 2004 kostete ihn diese Haltung bei einem Mordanschlag das Leben.

Theo van Gogh, ein Urenkel von Theo van Gogh, dem Bruder Vincent van Goghs, wurde zeitlebens mit widersprüchlichen Charakterisierungen belegt: "geistesgestört, (…) ein gequälter Mensch", meint Abdelkader Benali, niederländischer Schriftsteller. "Er war ein schwergewichtiges Großmaul, dessen Familienname Erwartungen weckte und Frustrationen hervorrief." Theodor Holman, Zeitungskolumnist und Freund van Goghs aus Amsterdam sagt über ihn: "Theo war ein Sohn der Stadt, aber ein aufmüpfiger Sohn. Er war das schwarze Schaf, der Hofnarr der Stadt." Und: "Eine ganz warme, kreative, autistische Persönlichkeit. Das war er."

Mit dieser Haltung eckte er an - selbst in der vermeintlich offenen niederländischen Gesellschaft. Van Gogh schätzte sich als Lieferant kalkulierter Geschmacklosigkeiten, im Feuilleton, in TV-Diskussionen. Und doch war es ihm ernst. Im Fernsehen sagte er einmal: "Wenn man sich mal die Konflikte der vergangenen Jahre anschaut, das Verbot von Theaterstücken, die Aggression gegen Frauen, (…) dann hat das mit der islamischen Kultur zu tun. (...) Wir werden immer mehr zu einer Gesellschaft, wo eine immer aggressivere islamische Minderheit unsere Freiheit bedroht."

Programmtipps:

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 23. Juli 2017 ebenfalls an Theo van Gogh. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

Stichtag am 24.07.2017: Vor 65 Jahren: Uraufführung des Films "Zwölf Uhr mittags" ("High Noon")