Tansu Ciller, türkische Ministerpräsidentin

14. Juni 1993 - Tansu Çiller wird türkische Ministerpräsidentin

Stand: 14.06.2018, 00:00 Uhr

Studiert hat sie in den USA, danach Beraterin der Weltbank, Wirtschaftsprofessorin in Istanbul - 1990 wird Tansu Çiller von Süleyman Demirel für die Politik entdeckt. Der Vorsitzende der "Partei des rechten Weges" (DYP) ernennt sie bereits im Jahr darauf zur Staatsministerin für Wirtschaft.

Als Demirel 1993 zum Staatspräsidenten gewählt wird, kommt für Çiller der nächste Karrieresprung. Beim DYP-Parteitag siegt sie im Kampf um den Parteivorsitz. "Nachdem Demirel die männlichen Kandidaten zum Rückzug aufgefordert hatte", sagt der Kölner Journalist Baha Güngör.

Tansu Ciller wird 1. türk. Ministerpräsidentin (am 14.06.1993)

WDR 2 Stichtag 14.06.2018 04:16 Min. Verfügbar bis 11.06.2028 WDR 2


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Erste Premierministerin

Einen Tag später, am 14. Juni 1993, erhält Tansu Çiller von Demirel den Auftrag zur Regierungsbildung. Sie wird die erste Premierministerin der Türkei und will den Staatshaushalt durch die Privatisierung von Staatsbetrieben sanieren.

Sie kündigt Zugeständnisse an die Kurden an, den Ausbau der Menschenrechte, mehr Demokratie. Fernes Ziel ist der EU-Beitritt. Zugleich irritiert sie mit ihrer Sympathie für die rechtsextremen "Grauen Wölfe" und nationalistischer Rhetorik.

Çiller beugt sich dem Militär

Beim "Kurdenproblem" beugt sich Çiller dann doch dem Militär. Dessen Kampf gegen die PKK im Südosten der Türkei wird in der Bundesrepublik von einer Welle der Gewalt begleitet.

Sympathisanten verüben im Sommer 1993 Überfälle und Brandanschläge auf türkische Einrichtungen. Kurz darauf wird die PKK in Deutschland als Terrororganisation verboten. Die EU und die USA ziehen nach.

Schwierige Wirtschaftslage

Çiller gelingt wenig. Inflation und Arbeitslosigkeit steigen. 1994 wackelt die Regierungskoalition. Die Wirtschaftsmisere treibt verarmte Dörfler in die Städte - und in die Arme der Islamisten, die mit der Wohlfahrtspartei (RP) unter Necmettin Erbakan im Parlament sitzen.

Bei den Kommunalwahlen gewinnt Erbakans Partei Großstädte wie Ankara. RP-Mitglied Recep Tayyip Erdoğan wird Oberbürgermeister von Istanbul.

Koalition mit Islamisten

Um ihre Macht zu retten, bricht Çiller 1995 ihr wichtigstes Wahlversprechen: sich nicht mit Erbakans Islamisten einlassen. "Am Ende hat sie mit ihm koaliert", sagt Journalist Güngör. Sie habe "ihn zum ersten islamistischen Ministerpräsidenten gemacht".

Çiller bleibt als Außenministerin in der Regierung. In diesem Jahr fliegen Verbindungen zwischen Politik und Unterwelt auf. Spuren führen zu Çiller. Aber sie bleibt dank Absprachen mit Erbakan von ernsthaften Ermittlungen verschont. Als Demirel der Koalition Mitte 1997 ein Ende macht, ist Çillers politischer Höhenflug vorbei. 2002 gibt sie den DYP-Vorsitz ab.

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