Eros-Center auf der Hamburger Reeperbahn

26. Februar 1970 - Bundestag ändert Strafrechtsgesetz zu Prostitution

Stand: 26.02.2020, 00:00 Uhr

Die 29-jährige Anna arbeitet in Berlin in ihrem eigenen Studio als Prostituierte. Trotz eines Abschlusses als Diplom-Psychologin hat sie sich aus freien Stücken für die Sexarbeit entschieden. Anna ist registriert, zahlt Steuern und ihr Umfeld weiß Bescheid. Alles okay soweit, dennoch kritisiert sie die gesetzliche Grundlage ihrer Arbeit scharf.

"Alle denken immer, Prostitution sei völlig legal, aber das stimmt nicht", sagt sie. "Bestimmte Verbote senden gesamtgesellschaftlich ein stigmatisierendes Signal aus: Die Gesellschaft muss vor Prostitution geschützt werden."

Strafrecht bei Prostitution wird geändert (am 26.02.1970)

WDR 2 Stichtag 26.02.2020 04:17 Min. Verfügbar bis 23.02.2030 WDR 2


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Huren mit Verbrechern gleichgestellt

Besonders ärgern Anna die Bestimmungen über Sperrbezirke, die 1970 mit dem Zehnten Strafrechtsänderungsgesetz in Kraft getreten sind: "Die sind bis heute gültig, obwohl Prostitution seit 2001 nicht mehr als sittenwidrig gilt."

Noch 1965 stuft das Bundesverwaltungsgericht Prostitution als gemeinschaftsschädlich ein und stellt die Tätigkeit von Huren mit der von Berufsverbrechern gleich. Erst die Ende der 60er-Jahre beginnende Strafrechtsreform macht damit Schluss.

Angst vor "St. Pauli"-Verhältnissen

Das Zehnte Strafrechtsänderungsgesetz ist unter dem Namen "Lex St. Pauli" in die deutsche Geschichte eingegangen. Denn viele Städte und Gemeinden befürchten damals Verhältnisse wie in Hamburg-St. Pauli: eine ungezügelte Ausbreitung der Prostitution, insbesondere der Straßenstriche.

 Blick auf die Straßenkreuzung Stollenstraße und Braunschweiger Straße in Dortmund Nordstadt, an der auch tagsüber Prostituierte auf Kunden warten

Prostituierte auf dem Straßenstrich in Dortmund

Zum "Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands" verabschiedet der Bundestag am 26. Februar 1970 eine Gesetzesnovelle. Die Länder können nun"gewerbliche Unzucht" in Gemeinden bis zu 20.000 Einwohnern völlig untersagen. In größeren Kommunen kann Prostitution ganz oder teilweise - an bestimmten Tageszeiten oder Orten – verboten werden.

Prostitution entstigmatisieren

Verstöße werden mit Geldstrafen oder Freiheitsentzug von bis zu sechs Monaten geahndet. Daran ändert auch das Prostitutionsgesetz von 2001 nichts, das die Sittenwidrigkeit weitgehend streicht und Prostituierten mehr Rechtssicherheit einräumt.

Gesetze und Petitionen aber können Prostitution weder abschaffen noch stärken sie den Schutz von Prostituierten. Davon ist Anna überzeugt, die in Berlin unauffällig in einem Bürogebäude ihren Beruf ausübt: "Ich sehe nur, dass Prostitution in dunkle Ecken gedrückt werden kann und die Bedingungen schlechter werden". Sie fordert deshalb endlich eine Entstigmatisierung der Prostitution und mehr Akzeptanz in der Bevölkerung.

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