Weihnachtspakete werden im Winter 1940 in der Heimat für die Soldaten der Deutschen Wehrmacht an der Front gesammelt (Propagandafoto)

Stichtag

24. Dezember 1940 - Erste "Weihnachtsringsendung" wird ausgestrahlt

Die Anweisung von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels ist klar: Das Weihnachtsprogramm des Rundfunks soll den Volksgenossen "das Gefühl des gemeinsamen Erlebens der Feiertage ohne Rührseligkeit" vermitteln. Am 24. Dezember 1940 startet die erste sogenannte Weihnachtsringsendung um 16.00 Uhr. "Hier ist der Großdeutsche Rundfunk mit allen Sendern - und angeschlossen: sämtliche Länder der besetzten Gebiete", eröffnet Moderator und NSDAP-Mitglied Werner Plücker das einstündige Spektakel. "Wir bringen unsere Sendung 'Deutsche Weihnacht 1940 - 90 Millionen feiern gemeinsam - 40 Mikrofone verbinden Front und Heimat'."

Die Rahmenbedingungen sind aus Sicht der Nationalsozialisten optimal: "Im Dezember 1940 steht Hitler ja eigentlich im Zenit seiner Macht", sagt Sönke Neitzel, Professor für Militärgeschichte und Kulturgeschichte der Gewalt an der Universität Potsdam. "Es gibt kaum Bombenangriffe, Deutschland hat ja scheinbar den Krieg gewonnen." Für viele Hörer klinge deshalb die Propaganda-Mär der angeblichen Vorsehung glaubhaft: "Unser gemeinsames Weihnachtsfest 1940" beginne, sagt Moderator Plücker, "mit dem tiefen und innigen Dank dafür, dass uns der Führer gesandt ward, das deutsche Volk aus tausendjährigem Schicksal zu erlösen."

Moderator betont "Volksgemeinschaft"

Die "Weihnachtsringsendung" ist eine Mischung aus NS-Ideologie, Kriegspropaganda und weihnachtlichem Brauchtum. Damit die Inszenierung im Sinne Goebbels erfolgreich ist, hat sein Ministerium "Gestaltungsgrundsätze" für den Sendungsablauf aufgestellt. "Erstens: herzerfrischende, keineswegs sentimentale Grüße von einigen sorgfältig ausgewählten Kameraden." Die Wahl der Übertragungsorte illustriert die Größe des mittlerweile von Deutschland kontrollierten Gebietes. Dazu gehören unter anderem das norwegische Narvik, das an der französischen Atlantikküste gelegene Hendaye, die Küste am Ärmelkanal, Warschau und "Italienisch-Ostafrika". Moderator Plücker betont die "Volksgemeinschaft": "Hunderte und Tausende von Meilen trennen uns räumlich voneinander, aber unsere Mikrofone werden die weitesten Räume überwinden und uns so oft wie in diesen Jahren zum gemeinsamen Erleben zusammenbringen."

Die Anweisung für die Sendungsgestaltung verlangt "ein kurzes Bild der Umgebung und der Stimmung am Ort - wenn möglich: örtliche Geräuschkulisse hervorheben". Zu hören sein sollen "Schaltungen zu sorgfältig ausgewählten Kameraden, von den ein oder zwei ganz kurz ein eigenes Erleben berichten dürfen". So zum Beispiel der Soldat, der sagt: "Hier in Narvik ist das Weihnachtsfest für uns, die wir die Polarnacht zum ersten Mal erleben, von ganz besonderem Reiz." Auch "einstudierte Grüße von ausgewählten Angehörigen" sind vorgesehen: "Mein lieber Sohn Georg, ich wünsche dir ein gesundes, frohes Weihnachtsfest."

Goebbels findet es "wunderbar und ergreifend"

Den Schwerpunkt der "Weihnachtsringsendung" bilden Wortbeiträge, nicht Gesang. Die Regieanweisung lautet deshalb: "Sparsam einsetzen: ein musikalischer Gruß in Form eines Weihnachtsliedes oder einer Weihnachtsmusik." Um 17.00 Uhr endet die Übertragung. Noch einmal betont Moderator Plücker den angestrebten Zusammenhalt: "3.000, 1.000 und viele hunderte Kilometer haben wir euch verbunden. Aus Ost, West, Nord und Süd." Im Februar 1941 wird rückblickend in einem Artikel der "Funkschau" die "Großleistung von Organisation und Technik" gelobt: "Die reibungslose Abwicklung der Sendung über diesen großen technischen Apparat ist ein eindrucksvolles Beispiel für die gute Gemeinschaftsarbeit der Deutschen Reichspost, der Wehrmachtdienststellen, der Propaganda-Kompanien und der Reichsrundfunk-Gesellschaft."

Goebbels schreibt später, die "Weihnachtsringsendungen", die von 1940 bis 1943 jeweils an Heiligabend ausgestrahlt werden, seien "wunderbar und ergreifend". Im letzten Kriegswinter funktioniert diese Art von Propaganda allerdings nicht mehr. Die Wehrmacht ist auf dem Rückzug, die Begeisterung für Hitler nimmt ab. Im Dezember 1944 habe man nicht mehr so sprechen können wie noch 1940, sagt Historiker Neitzel. "Weil da viele einfach schlicht die Schnauze voll hatten."

Stand: 24.12.2015

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