Dorando Pietri mit Helfern im Ziel des Marathonlaufs der Olympischen Spiele London 1908

24. Juli 1908 - Legendärer Marathonlauf bei den Olympischen Spielen 1908

Stand: 24.07.2018, 00:00 Uhr

Von den Anfängen der Olympischen Spiele im 20. Jahrhundert nimmt die Welt noch wenig Notiz. 1900 in Paris und 1904 in St. Louis sind die Sportwettkämpfe nur ein Anhängsel der Weltausstellungen. Sie ziehen sich über Monate hin und bleiben in der Öffentlichkeit fast unbemerkt.

Zum sportlichen Großereignis, das Menschen rund um den Globus in Atem hält, werden die Olympischen Spiele der Neuzeit erst 1908 in London. Ein kleiner Marathonläufer aus Italien und ein berühmter Kriminalschriftsteller haben daran entscheidenden Anteil.

Der olympische Marathonlauf von 1908 (24.07.1908)

WDR 2 Stichtag 24.07.2018 04:13 Min. Verfügbar bis 21.07.2028 WDR 2


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Drama vor dem Ziel

Schriftsteller Sir Arthur Conan Doyle sitzt am 24. Juli 1908 im White-City-Stadion, um als Reporter der "Daily Mail" vom Marathon-Zieleinlauf zu berichten. Wie der geistige Vater von Sherlock Holmes erwarten 80.000 Zuschauer gespannt die Ankunft des Führenden. "Und dann kam er endlich", schreibt Conan Doyle. "Aber wie anders, als der jubelnde Sieger, den wir erwarteten!"

Weit vor allen anderen geht ein kleiner, zierlicher Athlet mit Schnauzbart als Erster auf die finale Stadionrunde. Er heißt Dorando Pietri, ist von Beruf Zuckerbäcker und nun am Ende seiner Kräfte. Der 22-Jährige torkelt, findet die richtige Richtung nicht und bricht zusammen. Kampfrichter helfen dem fast ohnmächtigen Pietri wieder auf die Beine.

"Es gibt ein Stöhnen, als er noch einmal fällt, und einen Jubel, als er wieder auf die Füße taumelt", schildert Conan Doyle das Drama. "Es ist schrecklich, und doch faszinierend, dieser Kampf zwischen einem gesetzten Ziel und einem völlig erschöpften Körper." Die Menge schreit auf, als der Amerikaner John Hayes als Zweiter im Stadion ankommt.

Disqualifiziert, aber als Held gefeiert

Hayes eilt heran, während Pietri, das Ziel vor Augen, noch mehrfach kollabiert. Mit allerletzter Kraft, von Helfern gestützt, den Oberkörper weit nach hinten, rettet er sich über die Ziellinie - 34 Sekunden vor Hayes. Nach Protesten des US-Teams wird Dorando Pietri disqualifiziert und Hayes zum Sieger erklärt.

Am folgenden Tag startet Conan Doyle eine Spendenkampagne für den moralischen Sieger und Königin Alexandra ehrt ihn mit einem Goldpokal. Pietris dramatischer Kampf macht rund um die Welt Schlagzeilen und bringt dem Marathonhelden von London einen Profivertrag ein. Im November 1908 tritt Pietri im ausverkauften New Yorker Madison Square Garden noch einmal gegen Hayes an – und gewinnt mit deutlichem Vorsprung.

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