Alter Werftkran

1. Mai 1996 - Konkurs der Bremer Vulkan-Werft

Stand: 01.05.2016, 00:00 Uhr

1996 erhält Betriebsrat Hasso Kulka von der Bremer Vulkan Werft einen Anruf von Sänger Gunter Gabriel. Er könne sich vorstellen, für die 2.000 Werftarbeiter des ebenso traditionsreichen wie verschuldeten Unternehmens in Bremen-Vegesack ein kostenloses Konzert zu geben. Zwei Wochen vorher haben die Manager einen Vergleichsantrag gestellt.

Kulka lässt von den Gerüstbauern eine Bühne mit Zeltdach vorm Tor erreichten. Am Abend sind fast alle da. "Hey Bos, wir brauchen mehr Kohlen, die werden wir uns holen", singt Gabriel in einer eigens für den Abend komponierten "Vulkan-Hymne" unter dem Applaus der Belegschaft. "Oder wir werden dir deinen fetten, vollgefressenen, kapitalistischen Arsch versohlen." Den Arbeitern spricht Gabriel aus der Seele. Den Konkurs kann auch er nicht verhindern.

Hoffen auf das "Jahrhundert der Ozeane"

1893 wird die Bremer Vulkan AG gegründet – und gehört mit rund 1.000 Mitarbeitern von Anfang an zu den größten Arbeitgebern Bremens. Noch Anfang der 1990er Jahre bestimmt sie die Infrastruktur und die wirtschaftliche Lage Bremens wesentlich mit. Dabei ist auch sie von der zehn Jahre zuvor einsetzenden Werftenkrise stark betroffen. Der örtliche Dauerrivale AG Weser gibt 1983 auf, der Vulkan-Hauptgesellschafter Thyssen zieht sich daraufhin zurück. Das Land Bremen übernimmt die Anteile und setzt mit Friedrich Hennemann einen hochrangigen Senatsbeamten an die Konzernspitze.

Hennemann glaubt an ein "Jahrhundert der Ozeane" mit einem gigantischen Schiffsverkehr. Seine Vision ist die einer Art Meeresautobahn, auf der immer größere Ströme an Waren transportiert werden. Statt auf andere Schiffstypen als Containerschiffe umzusteigen und die eigene Produktion rentabler zu machen, kauft er deshalb Nachbarwerften auf. Und solche in Ostdeutschland – nicht zuletzt mit dem Hintergedanken, EU-Subventionen zu deren Rettung zu kassieren und das so gewonnene Geld in die Kassen der Vulkan-Werft zu spülen. Dieses "Cash Management" wird später zum Gegenstand eines langjährigen Strafprozesses wegen Subventionsbetrugs.

Die "Hansa Constitution" ist das Ende

Anfang 1995 hat der durch die Ankäufe hoch verschuldete Vulkan-Verbund 25.000 Beschäftigte und macht sechs Milliarden D-Mark Umsatz. Der Bremer Senat kuscht vor jeder Entscheidung des Konzerns. Dann aber finden vorgezogene Neuwahlen statt und die SPD unter Henning Scherf muss mit der CDU eine große Koalition eingehen. CDU-Finanzsenator Ulrich Nölle will aufräumen. Im September 1995 wird der "Weser-Kurier" gezielt mit der Information versorgt, dass der Vulkan-Konzern sofort 300 Millionen Euro Notkredite benötigt. Der Aktienkurs bricht ein, Vorstandschef Hennemann muss gehen.

Im Gegenzug gehen Gewerkschaften und Betriebsrat auf die Straße. Gottesdienste, Kundgebungen und Protestmärsche werden organisiert. Aber es ist zu spät. Am 1. Mai 1996 verkündet der Konkursverwalter Jobst Wellensieck das Scheitern des Vergleichsverfahrens. Der Konkurs ist besiegelt. 15 Monate später läuft mit dem Containerschiff "Hansa Constitution" das letzte der rund tausend Schiffe vom Stapel, die die Vulkan-Werft in den rund 104 Jahren ihrer Geschichte gebaut hat.

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 1. Mai 2016 ebenfalls an den Konkurs der Vulkan-Werft. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.