König Baudouin von Belgien (l) hält am 30. Juni 1960 während des Festaktes in der Abgeordnetenkammer im Parlamentsgebäude in Leopoldville eine Ansprache. Rechts der erste Staatspräsident der Demokratischen Republik Kongo, Joseph Kasawubu.

30. Juni 1960 - Der Kongo wird von Belgien unabhängig

Stand: 30.06.2020, 00:00 Uhr

Nach mehr als 70 Jahren unter belgischer Herrschaft rebellieren die Menschen im Kongo 1959 gegen die verhasste Kolonialmacht. Eineinhalb Jahre später entlässt Belgien sie völlig unvorbereitet in die Unabhängigkeit – mit dem Ziel, hinter den Kulissen die Kontrolle über das Land und seine unermesslichen Bodenschätze zu behalten.

Kongo wird unabhängig (am 30.06.1960)

WDR 2 Stichtag 30.06.2020 04:17 Min. Verfügbar bis 28.06.2030 WDR 2


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Zur Verkündung der Unabhängigkeit am 30. Juni 1960 erklärt Belgiens König Baudouin: "Die Unabhängigkeit des Kongo ist der Erfolg des Werkes des genialen Leopold II. Von ihm begonnen, mit hartnäckigem Mut, und von Belgien mit Ausdauer zu Ende geführt." Krasser hätte Baudouin die historische Realität kaum verfälschen können.

Lumumba entlarvt belgische Gräuel

Leopold II., König der Belgier, hat den Kongo 1885 als Privateigentum vereinnahmt und 23 Jahre lang gnadenlos ausgebeutet. Sein mörderisches Wirken bezahlen rund acht Millionen Menschen mit ihrem Leben. 1908 stoppt Belgien zwar auf weltweiten Druck Leopolds "Kongogräuel", errichtet aber ein Apartheidsregime, in dem Weiße weiter alle Schlüsselpositionen besetzen.

In seiner Antwort auf Baudouins Rede sagt Patrice Lumumba, der erste schwarze Premierminister der Demokratischen Republik Kongo, den Kolonialherren 1960 die Wahrheit ins Gesicht: "Man hat uns mit Ironie behandelt, Herablassung, Beleidigung, Schlägen (…). Wer wird die Erschießungen vergessen, die Kerker, in denen jene schmachteten, die sich der Ausbeutung nicht unterwerfen wollten."

Mordauftrag aus dem Weißen Haus

Kongos Premierminister Patrice Lumumba mit einem belgischen Minister in Leopoldville

Premierminister Lumumba mit einem belgischen Minister

Zehn Tage nach der Unabhängigkeitsfeier spaltet sich die rohstoffreiche Provinz Katanga mit belgischer und US-amerikanischer Unterstützung von der Republik ab. Und viele Historiker vertreten die Ansicht, dass Patrice Lumumba mit seiner Rede sein eigenes Todesurteil unterschrieben hat.

Lumumba wird vom Militär abgesetzt, verhaftet und gefoltert. Auf Anweisung von US-Präsident Dwight D. Eisenhower telegrafiert die CIA an ihr Büro im Kongo: "Im Interesse der freien Welt haben wir beschlossen, dass die Ermordung Lumumbas unser vorrangiges Ziel ist.“

Baudouins Mitschuld an Lumumbas Tod

In einem belgischen Flugzeug wird der Premierminister an seinen Erzfeind Moïse Tschombé, den Separatistenführer in Katanga, ausgeliefert. Am 17. Januar 1961 wird Patrice Lumumba von Katanga-Soldaten bestialisch umgebracht; belgische Offiziere zerhacken die Leiche und lösen sie in Säure auf.

Nach blutigen Wirren putscht sich 1965 Joseph Mobutu mit westlicher Hilfe an die Macht und errichtet eine 32 Jahre dauernde korrupte Diktatur. Eine Untersuchungskommission des belgischen Parlaments bestätigt 2001 die Umstände von Lumumbas Ermordung und weist König Baudouin eine erhebliche Mitschuld daran nach.

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 30. Juni 2020 ebenfalls an die Unabhängigkeit des Kongos. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

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