John Boyd Orr, schottischer Arzt und Biologe (Aufnahme von 1948)

23. September 1880 - John Boyd Orr wird geboren

Stand: 23.09.2020, 00:00 Uhr

"Die Menschen hungern nach Brot - und ihr wollt sie mit Statistiken abspeisen!" Diesen Satz schleudert der britische Ernährungswissenschaftler John Boyd Orr im Herbst 1945 seinen Zuhörern auf einer Konferenz in Québec entgegen. "Wir brauchen keine Forschung mehr, die uns beweist, dass die Hälfte der Welt hungert. Wir müssen handeln!"

Bei der Konferenz wird die FAO gegründet, die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der ebenfalls neu geschaffenen Vereinten Nationen. Orr, der nicht zur offiziellen britischen Delegation gehört, macht mit jeder Geste deutlich, dass er als unabhängiger Experte vor Ort ist.

Lehrer, Arzt, Wissenschaftler

John Boyd Orr lernt schon früh, sich zu behaupten. Er wird am 23. September 1880 im schottischen Kilmaurs als klassisches Sandwich-Kind geboren: drei ältere Geschwister, drei jüngere. Er arbeitet zunächst als Lehrer in den Slums von Glasgow. Dann studiert er Medizin und ist im Ersten Weltkrieg als Arzt an der Front.

Von 1922 an stellt er mit seinem "Rowett Research Institute" die Landwirtschaft auf eine wissenschaftliche Grundlage und forscht in Aberdeen zu Tiernahrung, Dünger, Saatgut. 1936 weist er mit seiner Studie "Nahrung, Gesundheit, Einkommen" als Erster nach: Wer arm ist, ernährt sich schlechter - und ist im Durchschnitt kränker und stirbt früher.

John Boyd Orr, Mediziner (Geburtstag 23.09.1880)

WDR 2 Stichtag 23.09.2020 04:15 Min. Verfügbar bis 21.09.2030 WDR 2


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Regierungsberater und FAO-Chef

Im Zweiten Weltkrieg berät er Premier Winston Churchill, wie man Englands knappe Lebensmittelvorräte am besten rationiert. Sir Orr, inzwischen zum Ritter geschlagen, setzt sich auch immer wieder gegen die weltweite Unterernährung ein.

Doch in Québec scheint ihm der Kampf gegen den Hunger verloren. Orr will noch vor dem Ende der Konferenz am 1. November 1945 abreisen. Doch seine wütende Rede rüttelt die Delegierten auf. Er wird zum ersten Generaldirektor der FAO berufen.

Farmer und Nobelpreisträger

Für Orr ist klar: Ein zentrales Steuerungsinstrument muss her, das Preise festsetzt, Kredite vergibt, Überschüsse umverteilt. Doch die Industrieländer, die mehrheitlich die FAO-Mitglieder stellen, setzen auf Freihandel - allen voran die USA und Großbritannien. Die FAO wird lediglich zu einer beratenden Organisation.

"Mehr konnte ich nicht tun", resümiert Orr 1948 - und gibt nach drei Jahren seinen Posten ab. Zurück in Schottland führt er eine Farm mit Angusrindern und jettet weiter als Berater um die Welt. 1949 wird er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. John Boyd Orr stirbt am 25. Juni 1971 mit 90 Jahren im schottischen Edzell.

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