Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg am Rednerpult

23. Februar 2011 - Karl-Theodor zu Guttenberg verliert den Doktortitel

Stand: 23.02.2016, 00:00 Uhr

Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg (CSU) ist die Lichtgestalt der deutschen Politik. Jung, eloquent und gutaussehend, wirkt der Zögling Horst Seehofers selbst beim Auftritt im Bierzelt wie ein Popstar. "Er ist sehr beliebt, die Menschen haben Vertrauen in ihn", sagt auch Angela Merkel (CDU). Und mancher Journalist glaubt bei Interviews, den zukünftigen Bundeskanzler gesprochen zu haben.

Aber dann stolpert Guttenberg über seine Vergangenheit. Ein Rechtswissenschaftler stößt auf Ungereimtheiten in seiner Doktorarbeit – und entdeckt schließlich seitenweise wortwörtlich übernommene Zitate, die nicht ausgewiesen sind. Auf der Online-Plattform "GuttenPlag Wiki" werden fast im Minutentakt neue Plagiatsstellen veröffentlicht; am Ende findet sich auf fast jeder Seite eine. Am 23. Februar 2011 entzieht die Universität Bayreuth ihrem einstigen Promovenden den Doktortitel. "Wir sind einem Betrüger aufgesessen", urteilt Staatsrechtler Oliver Lepsius.  

Jüngster Wirtschaftsminister aller Zeiten

Geboren wird Guttenberg 1971 als Sohn eines alten Adelsgeschlechts in München. Stammsitz der Familie ist ein Schloss in der oberfränkischen Ortschaft Guttenberg. Guttenbergs Urgroßonkel stirbt als Widerstandskämpfer gegen Adolf Hitler; er selbst wird sich später immer wieder als derjenige stilisieren, der gegen den politischen Mainstream opponiert. Eigentlich müsste Guttenberg nicht arbeiten: Das Vermögen der Familie beläuft sich Schätzungen zufolge auf mehrere Millionen Euro. Aber er ist ehrgeizig. Nach einem Jura- und Politikstudium, das er mit einer Promotion über "Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU" mit Bestnote abschließt, verwaltet der ab 1994 als geschäftsführender Gesellschafter der Guttenberg GmbH in München den Familienbesitz.

1999 entschließt sich Guttenberg, nach dem Vorbild seines Großvaters in die CSU einzutreten. Bereits drei Jahre später zieht er für seinen Heimatwahlkreis Kulmbach in den Bundestag. Als die CSU im Landtagswahlkampf 2008 in Bayern die absolute Mehrheit verliert, setzt sich Horst Seehofer an die Spitze der Partei und macht Guttenberg zum Generalsekretär. Nach dem Rücktritt von Michael Glos als Wirtschaftsminister drei Monate später rückt Guttenberg mit nur 37 Jahren als jüngster und fotogenster Wirtschaftsminister aller Zeiten nach. 2009 wird Guttenberg Bundesverteidigungsminister.

Kleiner Fehler, kein Betrug?

Mit seiner Frau Stephanie füllt Guttenberg fortan noch stärker als bisher die Boulevardblätter. Aber er zeigt auch Kante. So ist er der Erste, der beim Einsatz von deutschen Soldaten in Afghanistan von "kriegsähnlichen Zuständen" spricht. Er entlässt hohe Mitarbeiter und schafft die Wehrpflicht ab. Eine gemeinsam mit seiner Frau unternommene Reise zu den Soldaten nach Afghanistan macht er zur Personality-Veranstaltung, Talkshow inklusive. Als die Plagiatsaffäre um seine Dissertation ruchbar wird, ist Guttenberg auf dem Zenit seiner Popularität.

Was danach kommt, folgt der Dramaturgie vieler politischer Stürze. Guttenberg streitet alles ab, nennt die gegen ihn erhobenen Vorwürfe "abstrus". Angela Merkel nimmt ihren Verteidigungsminister mit der Aussage in Schutz, sie habe schließlich keinen "wissenschaftlichen Assistenten" in das Amt berufen, sondern einen talentierten Politiker – und zieht damit den Zorn der gesamten ehrlichen Wissenschaft auf die Affäre. Später redet sich Guttenberg mit privatem und politischem Stress während der Promotion heraus, spricht lapidar von "Fehlern". Als nichts mehr zu vertuschen ist, will er "auf das Führen des Doktortitels dauerhaft verzichten", obwohl die Rückgabe eines verliehenen akademischen Grades gar nicht möglich ist.

Eine Woche nach der Aberkennung seines Doktortitels tritt Guttenberg als Verteidigungsminister zurück. Immer noch behauptet er, nicht vorsätzlich gehandelt zu haben – und begründet den Rücktritt vor allem damit, Schaden von der Truppe abwenden zu wollen. Danach zieht er mit seiner Familie in die USA, wo er 2013 ein Investment- und Beratungsfirma gründet. Zudem berät er die EU-Kommission zu Fragen der Internetfreiheit. In die deutsche Politik zurückkehren will er nach eigener Aussage (Stand: 2015) nicht.

Stand: 23.02.2016

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