Zechen mit Kohlenhalden im Ruhrrevier

15. Februar 1967 - Gesetz fördert Stilllegung von Kohlebergwerken

Stand: 15.02.2017, 00:00 Uhr

Im Februar 1958 passiert das Unvorstellbare: Sechs Zechen des Ruhrbergbaus müssen die Steinkohleförderung drosseln. Seit Jahren wurde nur von der drohenden Energielücke gesprochen. Vorsorglich haben sich Grubenbesitzer zu jährlich steigenden Fördermengen verpflichtet, das Revier gilt als das Herzstück des Wirtschaftswunders. Dort liegt das Bruttosozialprodukt pro Kopf 1957 bei 5.280 Mark und damit 1.000 Mark über dem Bundesdurchschnitt.

Doch statt Energielücke sinkt Ende der 50er Jahre die Nachfrage: Heizöl und Erdgas drängen die Steinkohle immer mehr zurück. Zudem ist Importkohle dank sinkender Transportkosten günstiger als die viel aufwendiger geförderte heimische.

Erst Feierschichten, dann Arbeitslosigkeit

So wachsen die Kohlehalden rapide, Ende 1965 sind es bereits 20 Millionen Tonnen Kohle und Koks, die keiner braucht. Für die Bergarbeiter kommen erst "Feierschichten", dann die Arbeitslosigkeit. Zwischen 1957 und 1967 verliert jeder Zweite im Bergbau seinen Arbeitsplatz. "Wir verlangen von der Bundesregierung in Bonn, dass es keine Zechenstilllegungen geben darf, solange es nicht neue, gleichwertige Arbeitsplätze für die Menschen gibt", fordert NRW-Ministerpräsident Heinz Kühn.

Gleichwertige Arbeit finden die Kumpels nur schwer mitten in der ersten Wirtschaftskrise der Bundesrepublik. Zudem gehören die meisten Gewerbegrundstücke den Grubenbesitzern, die ihre Brachen nicht an andere Industriebetriebe abgeben wollen. Als Ford zu Beginn der 60er Jahre eine Fabrik für 7.000 Beschäftigte bauen will, kann der Autobauer weder in Herten, Unna, Dortmund oder Hamm ein Grundstück kaufen.

Milliardenförderung für die Kohle

Mit ihrer Bodensperre vergraulen die Ruhrbarone auch VW und Schering. Opel in Bochum findet zu wenige Nachahmer. Aber wie soll ohne neue Industrie der Strukturwandel gelingen?

Zwischen 1958 und 1967 pumpt der Staat rund 16,7 Milliarden Mark Hilfe in den Steinkohlebergbau, 400 Millionen Mark kommen zusätzlich vom Land NRW. Der Bund zahlt unter anderem Zuschüsse an die Rentenkasse, fördert Abfindungen, zahlt Feierschichten. Am 15. Februar 1967 kommt eine weitere Förderung hinzu: Der Bundestag verabschiedet das "Gesetz über steuerliche Maßnahmen bei der Stilllegung von Steinkohlenbergwerken".

Versuch das kranke Revier zu heilen

Es erregt kein großes Aufsehen, kommt aber der Industrie noch ein Stück entgegen. Zechengrundstücke können nun ohne Gewerbe-, Vermögens-, und Umsatzsteuer den Besitzer wechseln. Es ist ein weiterer Versuch, das kranke Revier mit Steuervorteilen zu heilen. Unternehmen, Politik und Gewerkschaften wollen retten, was nicht mehr zu retten ist. Vergebens, 2018 wird der letzte Schacht schließen.

Sinnvolle Subvention oder Geldverschwendung?

Was bleibt, ist der Streit, ob der lange Abschied so viel Steuergeld kosten musste. "Vermutlich sind es deutlich über 200 Milliarden Euro, was wir an Steinkohle-Subventionen ausgegeben haben werden – diese enorme Summe hätte man für Forschung und Entwicklung viel besser verwenden können", meint Manuel Frondel vom Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung.

"Jeder Euro war gerechtfertigt", widerspricht Michael Vassiliadis, IGBCE-Vorsitzender. Weil die Bergleute das Land auch in Zeiten mit einer global nicht so sicheren Kohleversorgung energiepolitisch aufrechterhalten hätten.

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 15. Februar 2017 ebenfalls an die Verabschiedung des Gesetzes über die Stilllegung von Steinkohlebergwerken. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.