Indira Gandhi, Ministerpräsidentin von Indien

19. November 1917 - Geburtstag von Indira Gandhi

Stand: 19.11.2017, 00:00 Uhr

Mutter Indiens, Göttin oder Diktatorin wird sie genannt, je nachdem, wer spricht. Verehrung und Verachtung, Liebe und Hass schlagen der Frau mit den vielen Gesichtern entgegen. Am 19. November 1917 wird sie in Nordindien geboren.

Indira Gandhi, Politikerin (Geburtstag 19.11.1917)

WDR 2 Stichtag 19.11.2017 04:16 Min. Verfügbar bis 17.11.2027 WDR 2


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Mit dem berühmten Mahatma Gandhi ist sie nicht verwandt, lernt ihn aber als Kind kennen. Aus dem schüchternen Mädchen wird eine Politikerin, die sich in der Männerwelt durchsetzt. Seit 1966 regiert sie mit Indien die größte Demokratie der Welt und fühlt sich verantwortlich für das Land wie eine Mutter.

"Meine Last ist vielfältig, weil Millionen meiner Familienmitglieder unter Armut leiden und ich mich um sie kümmern muss. Da sie verschiedenen Kasten und Glaubensrichtungen angehören, bekämpfen sie sich manchmal gegenseitig und ich muss eingreifen, insbesondere, um mich für die schwächeren Familienmitglieder einzusetzen, damit die stärkeren sie nicht ausnutzen", sagt sie im Wahlkampf auf hunderten Bühnen in staubigen Dörfern.

Gandhi setzt Politik des Vaters fort

Den Weg an die Spitze hat ihr der Vater geebnet: Jawaharlal Nehru, Freiheitskämpfer und erster Ministerpräsident nach der Unabhängigkeit.

"Nehru hatte die Vision eines sozialistischen Staates mit einer ganz besonderen Wirtschaftsform", sagt Ulrike Niklas, Professorin für Indologie und Tamilstudien an der Kölner Universität. "Natürlich hat Indira Gandhi die Politik ihres Vaters im Großen und Ganzen fortgesetzt."

Dazu gehören Fünf-Jahrespläne, Bankenverstaatlichungen und die Entmachtung der Fürsten. Die Armen feiern, die Kader und Konservativen in ihrer Kongresspartei fluchen. Die Frau, die sie als "stumme Puppe" verspottet haben, trifft immer mehr Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg. 1971 schlägt die indische Armee den Erzfeind Pakistan innerhalb weniger Tage. Das Land Bangladesch entsteht – es ist Indira Gandhis größter Triumph.

"Keiner hat gedacht, dass eine Frau so stark werden kann", sagt Jay Ullal, Pressefotograf der Tageszeitung "Times of India" und des Magazins "Stern". Indien verschafft sich international Respekt, auch als Atommacht. Und Indira Gandhi wird wie eine Göttin verehrt.

Gandhi sieht überall Feinde

Doch sie kann auch anders. Als Diktatorin entmachtet sie Parlament und Justiz, lässt die Presse zensieren und Kritiker verhaften. 1975 greift die Premierministerin zu ihrer letzten Waffe, dem Ausnahmezustand. Sie spricht von einer Verschwörung feindlicher Kräfte, die Indien ins Chaos stürzen wollen.

Tatsächlich gibt es landesweit Proteste und Streiks. Die Gründe: Inflation, Arbeitslosigkeit, Hungerlöhne, Korruption und eine umstrittene Familienpolitik zu der auch Zwangssterilisierungen gehören. "In meinem Dorf waren alle Menschen ängstlich: Jederzeit konnte ein Lastwagen oder ein Jeep mit Polizisten und Ärzten kommen und unsere Jungen mitnehmen", erinnert sich der Indologe Bahadur Singh. "Frau Gandhi ist Diktatorin geworden, das ist doch Diktatur!" Zwischen 1976 und 1977 werden rund acht Millionen Inder sterilisiert, oft ohne Aufklärung.

Bei den Wahlen 1977 verliert ihre Kongresspartei. 1980 gelangt sie zwar mit einer neuen Partei zurück an die Spitze Indiens. Doch vier Jahre später wird sie von zweien ihrer Leibwächter, Sikhs, erschossen. Anfang des Jahres hatte sie den Goldenen Tempel zerstören lassen, das größte Heiligtum der Sikhs. Es ist das tragische Ende einer mächtigen Frau.

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Stichtag am 20.11.2017: Vor 15 Jahren: Öffentliche Sektion durch Gunther von Hagens