Präsident Francois Mitterrand (Frankreich) während eines Besuchs in Bonn, Personen; 1985

26. Oktober 1916 - François Mitterrand wird geboren

Stand: 26.10.2016, 00:00 Uhr

Am 10. Mai 1981 wählt Frankreich zum ersten Mal einen Sozialisten zum Staatspräsidenten: François Mitterrand erhält fast 52 Prozent der Stimmen, der liberale Amtsinhaber Valéry Giscard d'Estaing bekommt nur gut 48 Prozent. Mitterrand, der seit zehn Jahren den "Parti Socialiste" (PS) führt, setzt zu Beginn seiner Amtszeit die angekündigte "neue Allianz zwischen Sozialismus und Freiheit" um: die Verstaatlichung großer Privatbanken und Industriebetriebe, eine Sondersteuer für Großverdiener, die Dezentralisierung der Verwaltung, Bildungsreformen, Abschaffung der Todesstrafe, kürzere Arbeitszeiten, mehr Urlaubstage, höhere Renten.

Obwohl Mitterrand als Linker gilt, gibt es daran Zweifel. "Durchaus ihm nahestehende Personen haben - wie ich finde - die berechtigte Frage aufgeworfen, ob Mitterrand jemals wirklich Sozialist gewesen sei", sagt der Historiker Ulrich Lappenküper. "Laurent Fabius, einer seiner engsten Mitarbeiter, hat ihn mal als Mann der Ambivalenzen bezeichnet, sowohl in politischer als auch privater Hinsicht." Freunde wie Gegner beschreiben Mitterrand als Sphinx, als einen, der Rätsel aufgibt.

Mit allen Mitteln

Geboren wird François Mitterrand am 26. Oktober 1916 in Jarnac, etwa 100 Kilometer nördlich von Bordeaux. Sein Vater ist zunächst Stationsvorsteher bei einer Eisenbahngesellschaft und übernimmt später die Essigfabrik der Familie. Nach dem Abitur 1934 studiert François Rechts- und Politikwissenschaften in Paris. Fünf Jahre später wird er zum Kriegsdienst eingezogen. Mehrere Male gerät Mitterrand in deutsche Gefangenschaft, kurz vor Weihnachten 1941 gelingt ihm die Flucht. Es folgt die umstrittenste Periode seines Lebens. "In seinen früheren Büchern hat er so getan, als ob er nach der Flucht direkt in die Résistance gegangen sei", sagt Mitterrand-Biograf Lappenküper. Erst in den 1990er Jahren gibt er zu, rund eineinhalb Jahre für den Nachrichtendienst der Vichy-Regierung gearbeitet zu haben, die mit den Nationalsozialisten kollaborierte. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg ist Mitterrand noch jahrzehntelang mit René Bousquet befreundet - dem Chef der Vichy-Polizei, der für die Deportation von über 12.000 Juden verantwortlich ist.

Offenbar aufgrund des Kriegsverlaufs wechselt Mitterrand die Seiten und schließt sich 1943 dem Widerstand an. Nach dem Krieg arbeitet er zunächst als Journalist, 1946 kandidiert er erstmals für die Nationalversammlung. Sein rechtskonservatives Wahlprogramm, in dem er sich gegen die Kommunisten stellt und die Reprivatisierung verstaatlichter Unternehmen fordert, verschwindet später auf nie geklärte Weise aus dem Staatsarchiv. 1947 erhält Mitterrand erstmals einen Ministerposten und ist zuständig für ehemalige Kriegsteilnehmer. In den folgenden elf Jahren dient er unterschiedlichen Regierungen in unterschiedlichen Positionen. Beim Regierungsantritt von Charles de Gaulle 1958 verliert Mitterrand jedoch sämtliche Posten. Der Geschmähte gibt nicht auf, sondern kämpft mit allen Mitteln um die Macht. 1959 inszeniert er sogar ein Attentat auf sich selbst, um popuär zu werden.

Verschweigen und abhören

1965 kandidiert Mitterrand mit linker Unterstützung erstmals bei den Präsidentschaftswahlen. Doch sein Gegner de Gaulle gewinnt klar. Vier Jahre später gehört Mitterrand zu den Mitbegründern des "Parti Socialiste" (PS). 1974 scheitert er als gemeinsamer Kandidat der Linken erneut bei der Präsidentschaftswahl. Als Mitterrand schließlich beim dritten Versuch 1981 mit 64 Jahren das höchste Staatsamt erlangt, hat er zwei große Geheimnisse. Das erste: Er hat Krebs. "Wenn diese Erkrankung 1981 bekannt gewesen wäre, wäre Mitterrand wahrscheinlich nie Präsident geworden", sagt Historiker Lappenküper. Das zweite: Mitterrand hat eine Geliebte und eine uneheliche Tochter, die er beide auf Staatskosten unterhalten lässt.

Während die Franzosen Mitterrand seine heimliche Zweitfamilie verzeihen, empören sie sich über etwas ganz anderes. Durch Zufall werden Anfang der 1990er Jahre in einer Garage tausende von Tonträgern gefunden. Der Politiker hatte jahrzehntelang Freund wie Feind abgehört - "selbst das private Umfeld", so Lappenküper. 1995 tritt Mitterrand kurz vor dem Ende seiner zweiten Amtszeit zurück, gezeichnet vom Krebs. Der ehemalige Staatspräsident stirbt am 8. Januar 1996 in Paris.

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 26. Oktober 2016 ebenfalls an François Mitterrand. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

Stichtag am 27.10.2016: Vor 50 Jahren: Regierungskoalition aus Union und FDP zerbricht