28. April 1916 - Ferruccio Lamborghini wird geboren

Stand: 28.04.2016, 00:00 Uhr

Beim Genfer Autosalon 1966 stiehlt ein atemberaubend flaches Coupé im windschnittigen Renn-Design allen anderen Edel-Sportwagen die Schau. Mit 370 PS unter seiner langgezogenen Haube gilt der Lamborghini Miura als das schnellste und eleganteste Serienauto der Welt.

Der Jet-Set ist begeistert von dem Luxusgeschoss; Rod Stewart, Miles Davis und der Schah von Persien zählen zu den ersten Käufern. Die Marke Lamborghini umstrahlt nun die mondäne Aura des ultimativen Spielzeugs für Superreiche - und Platzhirsch Ferrari hat plötzlich gefährliche Konkurrenz von einem, der bislang nur Trecker gebaut hat. Erst eine hochmütige Abfuhr von Rennstall-Patriarch Enzo Ferrari hatte den Traktor-Fabrikanten Ferruccio Lamborghini herausgefordert, Ferrari auf seinem ureigenen Terrain anzugreifen.

Alles beginnt mit einer kaputten Kupplung

Mit einem Technik-Studium als Rüstzeug, Einfallsreichtum und seiner Erfahrung als Armee-Automechaniker im Zweiten Weltkrieg verdient Ferruccio Lamborghini sein erstes Geld. Nach Kriegsende baut der am 28. April 1916 geborene Bauernsohn Militärfahrzeuge zu dringend benötigten Agrar-Maschinen um. 1948 gründet er die Firma "Lamborghini Trattrice", die er mit technischen Innovationen und hoher Qualität zu einem der größten Traktorenhersteller Italiens managt. Als neue Herausforderungen steigt Lamborghini erfolgreich in den Bau von Heizungs- und Klimaanlagen ein und - ein Jugendtraum - in die Konstruktion von Hubschraubern.

Die Regierung verweigert ihm allerdings die erforderliche Lizenz, so dass Lamborghini den Hubschraubertraum begraben muss. Schnelle Autos schätzt der schwerreiche Unternehmer bislang nur privat. Lamborghini besitzt einen Mercedes 300 SL, ein Jaguar E-Type und mehrere Maserati. 1958 kauft er seinen ersten Ferrari und wird zum Fan der Edelmarke aus Maranello – bis ihm Anfang der 60er-Jahre die Kupplung seines neuen 250 GT die Laune verdirbt. Monatelang doktern Ferrari-Mechaniker erfolglos an dem Wagen herum, bis Lamborghini die Faxen dicke hat. Er legt selbst Hand an, ersetzt die zu schwache Ferrari-Kupplung durch eine stärkere aus seinen Traktoren und löst damit das Problem. Lamborghini fährt nach Maranello, um Enzo Ferrari persönlich diese und ein paar andere seiner Tüfteleien für den 250 GT vorzuschlagen.

Neustart als Winzer

Das Treffen der beiden Unternehmer-Egos schreibt Automobilgeschichte. Was genau in Maranello geschieht, bleibt ungewiss, denn Lamborghini und Ferrari erwähnen die Szene in ihren Memoiren mit keinem Wort. Ferrari, dem die Herzlichkeit einer Viper nachgesagt wird, reagiert wohl von oben herab und ätzt über die ungebetenen Ratschläge eines dilettierenden Traktorbauers. Tief gekränkt in seiner Ehre geht Ferruccio Lamborghini zum Gegenangriff über. Er engagiert Ferraris Entwicklungs-Asse und lässt sie einen Wagen entwerfen, der zweierlei sein muss: schneller und stärker als jeder Ferrari. In Sant'Agatha bei Bologna, nur 30 Kilometer von seinem Erzfeind entfernt, gründet er die "Automobili Ferruccio Lamborghini" und konstruiert seinen ersten Zwölfzylinder. Mit 53.850 Mark kostet der Lamborghini 350 GT so viel wie drei Porsche 911, doch die Luxus-Kanone leidet unter Kinderkrankheiten; nur 143 Exemplare der Reihe werden gebaut.

Das nächste Modell, der legendäre Miura, etabliert die Marke mit dem Stier im Logo schlagartig in der Liga der Traumsportwagen. Lamborghini fährt nicht nur in die schwarzen Zahlen, er holt auch publicityträchtige Rennsiege gegen Ferrari, was den "Commendatore" in Maranello zur Weißglut bringt. "Wer jemand werden will, fährt Ferrari. Wer jemand ist, fährt Lamborghini", sagt kein Geringerer als Frank Sinatra. Doch Ferruccio Lamborghini verliert nach nur neun Jahre seinen Spaß an der kostspieligen Sportwagen-Schmiede. 1972, auf dem Höhepunkt der ersten Ölkrise, verkauft der experimentierfreudige Industrielle seine Anteile und beginnt in Umbrien ein neues Leben als Winzer. Die "Automobili Lamborghini" setzt der PS-Branche auch weiter mit hypermodernen Design-Ikonen wie dem Countach neue Maßstäbe. Der ehemalige Herr der Stiere aber kultiviert nur noch sein beträchtliches Weingut und produziert Rebensaft von allerhöchster Qualität. Am 20. Februar 1993 stirbt Ferruccio Lamborghini mit 76 Jahren in Perugia.

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